Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
zurück.
»Schon, bloß so flach ist Ihr Dorfteich in Waldau nun auch wieder nicht.«
Zufrieden mit diesen Auskünften, verabschiedete sich Walter Dreyer und freute sich auf den Feierabend.
Kein Toter konnte seine euphorische Stimmung beeinträchtigen, denn Judith war wieder in sein Leben getreten. Und sein Schwein war geschlachtet und verarbeitet worden! Das war eigentlich ein großes Wunder, denn ohne ihn hätte das auch komplett schief gehen können. Er musste Laura wenigstens eine besondere Flasche Wein kredenzen, so viel war klar. Walter liebte sie. Nicht so, wie er Judith liebte, sondern auf die väterliche Art, schließlich kannte er Laura schon in Windeln. Und diese Liebe war gut.
Zu Walters großer Überraschung hatte Laura es auch geschafft, in seiner Küche aufzuräumen und den Tisch zu decken.
»Was denkst du dir eigentlich dabei, Mädel? Wie soll ich das je wieder gut machen?«
»Das kannst du nicht, glaub mir. Aber ich werde dich zu passender Zeit daran erinnern«, drohte sie spaßhaft. »Was möchtest du probieren?« Stolz wies Laura auf die riesige Auswahl an Kostproben: »Gehacktes, lose Wurst, Brühe, Stichfleisch.«
»Ja, in dieser Reihenfolge.« Walter setzte sich beschwingt zu Tisch und die Verkostung begann. Es war jedes Mal ein besonderer Moment, denn die Würzung der Wurst geriet von Jahr zu Jahr anders, abhängig von der Tagesform des Schlachters und der Würzkraft der Zutaten. Vorsichtig nahm er von diesem und jenem einen Happen. Bald zeichnete sich auf seinem Gesicht ein wohliger Ausdruck von rechtschaffenem Genuss ab. »Große Klasse!«
Nun langten beide kräftig zu.
Nachdem der Appetit gestillt war, forderte Laura ihren Preis: »Na los, erzähl!«
Bereitwillig begann Dreyer ihr den Ablauf der Ereignisse und die ersten Untersuchungsergebnisse zu schildern, soweit er sich selbst davon schon ein Bild machen konnte. »Die Kollegen in Gardelegen wissen ganz sicher schon viel mehr; mal sehen, wann sich Judith Brunner meldet.«
»Dann sag ihr bitte, ich hab drüben bei mir alles vorbereitet. Die Tür ist offen; sie findet sich sicher wieder zurecht.«
Walter nickte bloß; er wollte nicht über Judith reden. Er versuchte, ein anderes Thema anzuschneiden: »Leon scheint ein anderer Mensch geworden zu sein. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Sollte ich mir Sorgen machen?«
»Was meinst du?« Laura fehlten wegen ihres intensiven Schlachteinsatzes einige Zusammenhänge.
»Na, er rettet kleine Kinder vor dem Tod, handelt verantwortungsbewusst, ist hilfsbereit Elvira Bauer gegenüber ...«
»Aha.«
»Aha? Was heißt das, Laura?«
»Du weißt genau, was das bedeuten soll.«
»Meinst du wirklich? Die beiden kommen aus so verschiedenen Welten. Ich hatte eher den Eindruck, dass der kleine Bengel es unserem Jungstar angetan hat. Immerhin hat Leon ihm das Leben gerettet. Das bindet schon.«
»Kann sein. Wir werden ja sehen.« Laura kannte Leon nicht so gut, dass sie das wirklich einschätzen konnte. In den ersten Wochen seines Aufenthaltes hatte er Astrid und ihr regelmäßig Anlass zu kräftigem Lästern geboten. Leon war ihnen sympathisch, nichtsdestoweniger glaubten beide, ihn rasch als Filou durchschaut zu haben. Hatten sie anfangs zum Beispiel seine komplett schwarze Bekleidung für ein Zeichen – wenn auch übertriebener – Trauer gehalten, bezeichneten sie seine jeweilige Kleidung bald als »Kostüme«. Und freuten sich insgeheim, wenn sie neue Talente für ihn erfinden konnten: Künstlerdarsteller. Oder Bohemienimitator. Leon bot ihnen eine willkommene Ablenkung von dem unguten Gefühl, das schon seit einigen Wochen in ihrer Freundschaft deutlich wurde. Schleichend hatte es Raum gegriffen, seit damals, als sie nach dem Angriff auf ihr Leben ... Mit einem Mal war Laura müde. Der Tag war wirklich anstrengend gewesen und das gute Essen tat das Übrige.
Walter blieb das nicht verborgen. »Na los, geh schlafen. Du hast es dir verdient. Ich räum das hier weg. Und, Laura, Dankeschön.« Er drückte die junge Frau herzlich. »Denk dran, zum Frühstück falle ich, trotz meiner jetzt sauberen Küche, bei euch ein.«
Und er freute sich die ganze Nacht darauf.
Sonntag
~ 20 ~
Judith konnte nicht sagen, was sie vom Tag hatte halten sollen, als sie gestern spätabends im stockfinsteren Waldau angekommen war. Am Dorfplatz brannte nur in Walters Büro noch Licht. Einen schwachen Moment lang war sie versucht, zu ihm zu gehen. Aber alles war auch so schon kompliziert genug
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