Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
dem Parkplatz des Ausflugslokals ›Feine Sache‹ der Pkw des Opfers gefunden werden. Er ist dort am Donnerstag zum ersten Mal aufgefallen. Die Spurensicherung hat im Wagen unter anderem einen Zettel mit handschriftlichen Notizen gefunden, die wir noch überprüfen.«
»Hat er dort gegessen?«
»Das war bisher nicht feststellbar. Wir machen heute Vormittag ein Foto ...«
»Ist schon fertig!«, rief einer vom Labor.
»... und befragen die Leute in ›Feine Sache‹ gezielt nach ihm. Sicher haben die noch die Speisekarten von letzter Woche und wir können etwas dem Mageninhalt zuordnen?«
Dr. Renz nickte optimistisch.
»Thomas Ritter und Walter Dreyer gehen dem Hinweis am Wiepker Bach nach. Die Technik macht weiter mit ihren Untersuchungen. Ich erwarte eine Rückmeldung aus Meißen. Und in Waldau stehen noch ein paar Befragungen aus. Also, wir haben alle gut zu tun. Heute Nachmittag treffen wir uns wieder hier. Dann können wir sicher auch schon etwas zu den gefundenen Notizen sagen.« Über deren erschreckenden Hintergrund wollte Judith Brunner noch nichts mitteilen, bevor Laura Perch die Informationen verifizieren konnte. Beim Frühstück hatte Laura sie um ein paar Stunden Zeit für ihre Recherchen gebeten.
NS-Euthanasieprogramm? Was für eine Welt!
~ 31 ~
Walter Dreyer und Thomas Ritter waren unverzüglich nach Wiepke aufgebrochen. Der Wiepker Bach war ein eher unscheinbares Gewässer, das geschickt eine Fernstraße unterquerte und so zu einer eigenen Brücke kam. Auf der anderen Straßenseite speiste er einen kleinen Feuerlöschteich, der, und das wurde Dreyer plötzlich bewusst, nach den bitterkalten Nächten sicher auch zugefroren war. Er hoffte, dort nicht auch noch eine dunkle Stelle in der Eisfläche zu entdecken.
Ritter holte ihn aus seinen Überlegungen. »Was hältst du eigentlich von der Neuen?«
Dass diese Frage kommen würde, hatte Walter befürchtet. Thomas Ritter war sein Freund, jedoch würde er für nichts und niemanden auf der Welt etwas von seinen wahren Gefühlen für Judith preisgeben. Geschickt wich er aus: »Ach, so neu ist sie gar nicht; wir kennen sie doch schon.«
»Das vom letzten Jahr zählt nicht. Jetzt ist sie hier die Chefin. Und«, bohrte Ritter weiter, »was meinst du nun?«
»Ich denke, sie geht die Sache richtig an.«
»Ich meine nicht die Ermittlungen, ich meine die Frau. Du stehst aber heute auf der Leitung.«
Das Gespräch wurde Walter unangenehm. Judith in so einem Männerhaufen! Klar wurde über sie geredet! Sie war die Neue. Und eine attraktive, ledige Frau obendrein. Das würde immer Anlass für Bemerkungen bieten. Ganz gleich, ob ihr etwas gelingen würde oder nicht. Und sie war nun wirklich nicht der kumpelhafte Typ. Das wurde gern missverstanden. Und nun fragte ihn Thomas Ritter nach seiner Meinung! »Ach, sie macht schon was her, findest du nicht?« Walter rettete sich in die Untertreibung des Jahrhunderts. »Besser als der Alte sieht sie allemal aus.« War das genug?
Ritter grinste überzeugt. »Das ist ja wohl klar. Aber ich weiß nicht, ob ich mit der warm werden kann.«
»Wieso? Ihr kommt doch gut zurecht.« Den Eindruck hatte Walter tatsächlich.
Ritter duzte allerdings in der Regel alle Leute sofort. Bei Judith war er davon abgewichen. Wenn Walter dabei war, fand er meist eine neutrale Anrede, aber im direkten Gespräch hatte er sie gesiezt. Ihre aparte Erscheinung lud andere nicht zum Duzen ein. Walter fand das in diesem Falle wunderbar. Familiärer Umgangston sollte Leuten vorbehalten bleiben, die sich damit wohlfühlten.
Thomas Ritter wollte immer noch etwas loswerden: »Na ja, schon. Trotzdem. Sie ist so ...«, Walter fürchtete sich vor dem, was Ritter gerade überlegte. Hoffentlich kein Wort, das er ihm übel nehmen müsste.
»… so rein sachlich eben.«
Sachlich also. Das ging wohl in Ordnung. Walter Dreyer nickte erleichtert.
Am Wiepker Bach trafen sie auf den Streifenwagen. Über Nacht war nichts passiert und so fuhren die übermüdeten Kollegen nach Hause.
Ritter brachte seinen Wagen exakt auf ihrem Stellplatz unter, er wollte so viel Fläche wie möglich im hellen Tageslicht sehen können.
Es lag wieder dicker Reif. Der Teich schien unberührt. In der Mitte ragte ein hoher Pfahl mit einem Schild auf, das ihn als Feuerlöschteich auswies. Das welke Schilf an seinem Ufer raschelte leise im sachten Wind. Ein beidseitig bewachsener Landwirtschaftsweg führte am Teich vorbei in die Felder. Hier waren deutlich mehrere
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