Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
bringen.
Als wäre dies sein größter Wunsch gewesen, sagte Wiesel ihr das zu.
Auf dem engen Hof des im Gegensatz zum Hauptgebäude schmucklosen Postfuhramts herrschte emsiges Hin und Her. Kleine gelbe Lieferwagen wurden ein- oder ausgeladen, Gabelstapler fuhren um einen Lkw herum und Leute mit Papieren in der Hand umringten ein kleines Pförtnerhäuschen. Von einer Rampe am rechten Seitenflügel des Gebäudes sah ihr ein dünner Mann in dunkelblauem Kittel angespannt entgegen. »Frau Brunner? Gehen wir besser in mein Büro. Da hinten ist eine Treppe.«
Das Büro war ein mit Stellwänden aus solider Pappe abgetrennter, halbhoher Verschlag in einer großen Halle, die offenbar das gesamte Erdgeschoss dieses Gebäudes einnahm. Immerhin hatten neben zwei übervollen Schreibtischen und einigen flachen Regalen, in denen in Pappdeckeln alle möglichen Formulare aufbewahrt wurden, leere und ausgefüllte, ein paar Holzstühle Platz gefunden.
So konnte Judith Brunner das Gespräch im Sitzen führen. Zumindest hatte sie das vor.
Ihr Gesprächspartner schien übernervös zu sein, stand ständig auf und rief über die Pappwände seinen Leuten irgendwelche Anweisungen zu.
Judith Brunner versuchte, den Mann auf ihr Gespräch zu konzentrieren. »Ich werde Sie nicht lange stören. Herr Wiesel hat Ihnen ja sicher mitgeteilt, dass ich wegen Hartmut Dampmann hier bin. Ich habe einige Fragen zu ihm.«
»Vergesst den Kram für die Werkstatt vom Heini nicht wieder!«, brüllte Balduin jemanden an, sah dann kurz zur Hauptkommissarin. »Viel kann ich zu dem nicht sagen. Der sucht nicht gerade den Kontakt, verstehen Sie?«
Der Verschlag vermochte die Geräuschkulisse der Halle in keiner Hinsicht zu dämmen, sodass Judith recht laut fragen musste: »Ist Hartmut Dampmann jetzt hier?«
»Nein«, Balduin sah auf die große Uhr über dem Hallentor, »der ist noch eine ganze Weile unterwegs.«
»Was können Sie mir über ihn erzählen? Einiges müssten Sie doch wissen, Sie sind immerhin sein Chef.«
»Na ja, er macht seine Arbeit. Pünktlich, ohne Probleme. Ist noch nie was vorgekommen. Nichts kaputtgegangen, kein Unfall.«
»Und privat?«
»Da ist noch weniger zu sagen. Hat wohl keine Familie. Ein paarmal haben ihn Kollegen versucht einzuladen, auf ein Bier oder zum Grillen. Dampmann ist nie gekommen. Habens dann eben gelassen. Nach letztem Jahr sind die Leute dann sowieso auf Abstand gegangen.«
»Was meinen Sie?«
»Na, die Klauerei! Hatte Dampmann persönlich entdeckt. Und gemeldet. Da haben manche schon gedacht, das hätte unter uns geklärt werden müssen, also ich meine ...«
»Ohne Polizei«, half Judith Brunner aus.
»Richtig. Seine Arbeit macht er aber gut!«
»Was genau hat er denn zu tun?«
»Früh morgens versorgt er die Postfrauen in den Dörfern, bringt die Briefpost hin und holt die von dort ab. Pakete auch. Die ganze private Post, meine ich. Alles, was gewerbliche Fracht ist und kein Brief, bringt er anschließend zu den Leuten im ganzen Kreis. Wir haben vier Fahrer dafür. Einer ist immer nicht da, Urlaub, krank, so was eben. Die haben meistens ganz schön zu tun. Also wir holen das Zeug vom Bahnhof ab, gleich vom ersten Zug. Dann sortieren wir es nach den Touren und verteilen es in die Wagen. Da machen die Fahrer auch mit. Hat jeder sein eigenes System, wie er die Pakete rein stapelt. Vorm Nachmittag sind die dann nicht wieder hier.«
»Würden Sie mir den Tourenplan für Hartmut Dampmann von letzter Woche geben, und den von dieser Woche auch?«
Zielsicher griff Balduin zu einem Ordner und heftete Judith Brunner zwei angeknitterte Blätter heraus, beides Durchschläge. »Die Originale hat er.«
»Danke.« Judith Brunner steckte die Seiten in ihre Tasche, stand auf und sah sich um. »Wo lassen Sie eigentlich die ganzen leeren Kartons der Leute?«
»Welche leeren Kartons?«
»Na, die, die zurückgegeben werden.«
Balduin war verdutzt. »Entschuldigen Sie, aber ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Dampmann hat uns am Sonnabend erzählt, er müsse die leeren Kartons, mit denen sein Auto beladen war, noch hierher bringen, das Auto auf dem Betriebshof abstellen und könne dann erst Feierabend machen.«
»Hannes, komm mal!«, brüllte Balduin über die Stellwand.
Ein untersetzter Mann, der seinen blauen Kittel mit Sicherheit nicht mehr zuknöpfen konnte, erschien prompt.
»Weißt du was von Dampmanns Kartons?«
»Kartons? Ach! Er hat sein olles Zeug manchmal unter der Treppe, hinten beim Aufgang,
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