Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
gestapelt.«
»Hat er dort jetzt auch was stehen?«, fragte Judith Brunner.
Dampmanns Kollege sah seinen Chef unsicher von der Seite an und gab dann zu: »Ja. Wir haben alle mal was unterzustellen, das zu Hause im Weg ist.«
»Ist schon gut, Hannes. Kannst gehen«, wurde er von seinem Vorgesetzten entlassen.
»Würden Sie mir zeigen, wo die Kartons stehen?«, bat Judith Brunner und ließ Balduin den Vortritt.
Nach einem Slalomlauf zwischen Paletten und Gitterboxen gelangten sie zu der Treppe und tatsächlich standen dort mehrere große Pappkartons herum. Von allen waren die Paketaufkleber oder Aufschriften entfernt worden. Judith konnte den ersten Karton ganz leicht zur Seite schieben. »Leer.«
Balduin nickte beim nächsten. »Der auch. Den will Dampmann vielleicht noch mal benutzen?«
»Uns hat er erzählt, die hätten ihm Leute wieder mitgegeben, damit er sie hier entsorgen kann.« Judith Brunner kippte den nächsten Karton leicht an und fühlte, wie in seinem Innern etwas rutschte. Kein schwerer Inhalt. »Hier ist noch was drin.«
»Wir entsorgen hier aber nichts für andere, nur unsere Büro-Abfälle«, korrigierte Balduin Dampmanns Aussage und ergänzte dann: »Obwohl, na ja, der eine oder andere schmeißt schon mal privaten Kram weg, wenn noch Platz im Container ist.«
Judith kippte ihren Karton vorsichtig in die andere Richtung und wieder rutschte etwas. »Was würde passieren, wenn dieser Karton aus Versehen umfallen und sich von allein öffnen würde?«
Balduin war etwas begriffsstutzig. Dann zog er den Karton hervor und klappte ihn auf. Neben einer kleinen Jeanshose konnte Judith noch einen warmen, gestrickten Pullover entdecken, auf den ein kleiner, lachender Stern genäht war.
~ 38 ~
Gisela Neubauer konnte sich nicht entscheiden, ob sie wütend auf ihre unternehmungslustige Tochter oder erleichtert über ihr unkompliziertes Auffinden sein sollte. Auf jeden Fall wollte sie sich vor der Fahrt in die Kreisstadt noch umziehen und zurechtmachen, wie sie gesagt hatte.
Walter Dreyer blieb also etwas Zeit, die er nutzen wollte, um nach den Kindern und Elvira Bauer zu sehen. Auch beabsichtigte er, sich von der Bewachung der kleinen Familie zu überzeugen. Irgendwie fühlte er das Bedürfnis, den Kleinen etwas mitzubringen, und hatte aus seinem Bücherregal ein altes Kinderbuch mit Tiergeschichten genommen. Vielleicht konnte Dany ihrem Bruder ja daraus vorlesen. Walter stellte ein großzügiges Paket mit Fleisch und Wurst zusammen, packte das Büchlein ein und ging beladen los.
Zufrieden registrierte er den unauffällig vor dem Wirtshaus »Zur Altmärkischen Schweiz« abgestellten Wagen der Kollegen. Dann spazierte er am vereinbarten Beobachtungspunkt in der Nähe des Häuschens vorbei. »Alles in Ordnung«, wurde ihm zugeraunt.
Als er bei der alten Gärtnerei angelangt war, fiel ihm auf, dass irgendjemand begonnen hatte, hier aufzuräumen. Die Scherben vor dem intakteren der beiden Gewächshäuser waren zusammengefegt und einige umherliegende Pflanztöpfe ordentlich ineinander gestapelt vor die Tür gelegt worden.
Durch die offenen Scheiben hörte er die Stimmen der Kinder und die von Leon Ahlsens.
Erstaunt sah Walter auf seine Uhr. In der Tat schien Leon unter die Frühaufsteher gegangen zu sein. Er konnte die drei durch eine gesprungene Fensterscheibe beobachten.
»Marsrot!«, rief Dany laut, als Leon einen alten, schmutzigen Lappen schwenkte.
»Tolle Farbe!«, lobte Leon.
»Popelgrün!«, rief der Kleine und zeigte auf irgendein gärtnerisches Utensil aus Gummi.
»Iii!«, kreischte das Mädchen.
Leon erfand mit den Kindern neue Wörter für Farben, von denen sie offenbar die eher weniger geläufigen mit größter Wonne benutzten.
»Windelkackefarbe«, kreischte Dany mit einem Seitenblick auf ihren kleinen Bruder, als Walter zu ihnen trat.
Leon hatte einen uralten Kunststoffeimer hochgehalten.
»Nein, Hundekackefarbe!«, rief Fritzi.
Sie amüsierten sich prächtig.
Walter klopfte Leon grüßend auf die Schulter. Die Besorgtheit in seinen Augen konnte er vor dem jungen Mann allerdings nicht verbergen.
»Hallo ihr beiden! Ist eure Mama zu Hause?«
Die Kinder interpretierten die Frage falsch und sahen ihn enttäuscht an. »Wir sagen das auch nicht wieder.«
»Oh, keine Angst, es ist mir völlig egal, was ihr für Farben kennt. Es ist sogar besser, mehr Farben zu kennen als zu wenige. Ich möchte eure Mama nur kurz sehen.«
»Sie macht Frühstück. Wir haben schon die
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