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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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erinnere, dass bei ihr in der Praxis ’ne Leiche rumlag«,
sagte er.
    Mit deutlich besserem Appetit als noch vor einer halben Stunde aß
Yvonne ihren Brownie. »Das war ein russischer Profikiller. Der hat ihr höllisch
zugesetzt.«
    Â»Wie denn?«, fragte Martin beiläufig.
    Â»Genaues weiß ich nicht. Anna vermeidet das Thema, und ich lasse sie
damit in Ruhe.«
    Â»Hat sie deswegen ihre Therapeutentätigkeit aufgegeben?«
    Â»Sag mal, interessierst du dich für Anna? Oder wieso fragst du so
viel?«
    Martin griff zur Serviette und wischte Yvonne liebevoll über den mit
Schokolade verschmierten Mund: »Dummerchen, ich interessiere mich für dich.«
    Â»Blödsinn«, meinte Yvonne. Das glaubte sie nie und nimmer. Aber sie
merkte ganz tief drinnen, dass sie es gerne glauben würde.
    Christian saß in seinem Büro und ging die Zeugenaussagen
durch, die er bisher noch nicht gelesen hatte. Das Versprechen, den Killer zu
fassen, das er gestern Abend seinen Kollegen gegeben hatte, kam ihm inzwischen
ganz schön vollmundig vor. Er fand keine Anhaltspunkte, die ihm den Weg wiesen,
bei keinem einzigen der bisher zusammengetragenen Fakten beschlich ihn das
untrügliche Gefühl, auf Spur zu sein. Es ergab sich einfach kein Bild. Er hatte
bislang nichts außer dem Tagebuch, einem Phantom und zwei Leichen.
    Plötzlich stiefelte Lars Berger herein, die Fäuste tief in die
Hosentaschen vergraben, den Kopf gesenkt wie ein Boxer vor dem Angriff. »Miese
Bude hier. Ich dachte, ihr seid was Besonderes. Hatte keine Ahnung, dass man
den Mord an meiner Schwester einem abgeschobenen Haufen abgehalfterter Bullen
übertragen hat.«
    Â»Stimmt. Ist echt ’ne miese Bude. Vor allem, weil jeder Idiot
einfach so in mein Büro stiefeln kann. Ohne zu grüßen. Setz dich.«
    Â»Seit wann duzen wir uns?« Lars blieb stehen.
    Â»Seit du mich beleidigt hast. Jetzt halt den Rand, und setz dich.«
    Lars setzte sich. Entspannt lehnte sich Christian in seinem alten
Holzdrehstuhl zurück und schaukelte hin und her, ohne Lars aus den Augen zu
lassen. Lars hielt seinem Blick stand.
    Â»Tut mir leid, dass ich gestern nicht zurückgerufen habe, aber wir
hatten alle Hände voll zu tun.«
    Lars nickte: »Hab’s gelesen. Noch ’ne Leiche. Kann das nicht jemand
anders übernehmen? Sie haben mit dem Mord an meiner Schwester doch genug zu
tun, oder?«
    Â»Im Grunde schon. Aber die beiden Morde hängen zusammen.«
    Ãœberrascht beugte sich Lars vor: »Ich dachte, das hat sich die
Presse zusammengereimt, um ein bisschen Panik und Auflage zu machen.«
    Â»Leider nicht«, gab Christian zurück. Er überlegte kurz, beschloss
dann aber, dass Lars einen vernünftigen, intelligenten Eindruck machte, und
weihte ihn in die groben Zusammenhänge ein. Lars wollte wissen, ob es
inzwischen einen anderen Verdächtigen gab, seit der Obdachlose ausgeschieden
war. Christian verneinte. Außer einem Phantom habe er im Moment nichts zu
bieten. Angespannt fragte Lars nach der Bedeutung dieses obskuren Phantoms,
doch Christian gab ihm zunächst keine Antwort. Er überflog Lars’ Aussage, die
sich als Dokument auf seinem Computer befand. Lars hatte seine Schwester wohl
sehr geliebt, hielt sie aber wie fast alle anderen für leicht spießig und zu
sehr dem konservativen Einfluss der Mutter verhaftet. Christian stellte Lars
einige diesbezügliche Fragen. Anscheinend schlug Lars, zumindest seiner eigenen
Meinung zufolge, mehr dem Vater nach, einem abenteuerlustigen Freigeist, der
froh war, den auf unbedingte Karriere ausgerichteten Knebeln seiner Gattin
entkommen zu sein.
    Â»Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze meine Mutter sehr.
Aber etwas mehr Lockerheit könnte ihr nicht schaden. Vielleicht hatte sie die
mal, ich weiß es nicht mehr. Aber spätestens durch ihre gescheiterte Affäre mit
diesem Bullenarsch hat sie sie verloren. Da hat sie subjektiv gesehen alles
verloren, und übrig blieb ihr zum Festhalten nur noch ein Gerüst aus
Korrektheit und Frustration.«
    Â»Und mir gibst du ernsthaft die Schuld an all dem?«
    Â»Nein. Es macht es nur einfacher, sich so zu verhalten.«
    Täuschte sich Christian, oder hatte er da den Anflug eines Lächelns
in Lars’ Mundwinkel gesehen?
    Â»Warum bist du hier?«, wollte er wissen.
    Â»Um zu fragen, ob ich etwas tun kann.«
    Christian überlegte. Aber er hatte

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