Eisblut
fehlten die Brustwarzen.
Christian bedankte sich knapp bei Eberhard und Volker für die kaum
erfreulichen Ausführungen und wandte sich an Pete: »Hast du schon eine Art von
Profil für unseren Täter?«
»Ein vorläufiges, noch recht vages«, bestätigte Pete. »Wir suchen
einen Mann, Mitte zwanzig bis Mitte fünfzig. Schon hier weiche ich von dem
typischen Serienkillerprofil ab, das die statistische Mehrheit der Täter auf
höchstens Ende dreiÃig festlegt. Aber Uta Bergers im Tagebuch spürbare
Fixierung auf den Vater könnte sie einem älteren Mann in die Arme getrieben
haben. Unser Mann ist eindeutig sadistisch, ordnungsfixiert, organisiert,
akribisch und selbstsicher. Er hat keinerlei Angst, erwischt zu werden,
deswegen hält er es auch nicht für nötig, die Leichen besser zu verstecken.
Sein Intellekt ist vermutlich überdurchschnittlich. Er reagiert selbst in
überraschenden Situationen souverän und modifiziert sie zu seinem Vorteil. Mit
groÃer Sicherheit ist ihm Dassau bei der Abladung von Uta Bergers Leiche in die
Quere gekommen. Statt den unliebsamen Zeugen einfach vor Ort zu erledigen,
nimmt er ihn mit und vergnügt sich mit ihm. Darin zeigt sich allerdings nicht
nur Selbstsicherheit, sondern auch das Triebgesteuerte seiner Tat. Er ist das
Risiko eingegangen, eine ungeplante Tat spontan durchzuführen, weil das Quälen
ihm Befriedigung bereitet. Im Falle Dassaus fehlen die primär sexuellen
Aspekte, die die Ermordung Uta Bergers aufweist. Keine Vergewaltigung. Wir
können also von einer Heterosexualität unseres Mannes ausgehen. Vielleicht ist
das auch der Grund, warum er sich mit dem alten Mann nicht so intensiv
auseinandergesetzt hat wie mit der jungen Frau. Es hat ihm einfach nicht so
viel Spaà gemacht. Auch diese These spricht dafür, dass Dassau ein Zufallsopfer
war. Was ich bei Uta Berger nicht glaube. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ist unser Mann der Typ, den sie in ihrem Tagebuch
beschreibt. Er ist organisiert. Interessant fand ich in Zusammenhang mit den
sauber gefalteten Kleiderpaketen Volkers Ansatz, er könne eine militärische
Ausbildung oder eine Knastvergangenheit haben. Im Moment werden gerade alle
einschlägig vorbestraften Täter und Militärs auf freiem Fuà überprüft.«
»Was hältst du von der Geheimdienstthese?«, wollte Christian wissen.
»Nichts. Entscheidend für mein Profil ist der modus operandi bei der
jungen Frau. Sexuell motiviert, lustbetont. Wir suchen einen durchgeknallten
Sadisten mit einer primär-narzisstischen Störung. Er erlebt sich in seiner
sadistischen Aktion als jemand, der seine Umgebung nach seinen
Triebbedürfnissen beliebig formt, allmächtig die sozialen Grenzen negiert und
sich von den Bedürfnissen der anderen nicht beeinträchtigen lässt. Er versucht
sein archaisches GröÃenselbst wiederzubeleben, das omnipotent jedes Gegenüber
bezwingt.«
»Klingt super«, sagte Daniel nur.
Pete grinste. »Dafür werde ich bezahlt.« Vor einem Jahr noch hätte
sein kleiner Vortrag Hohn und Widerstand hervorgerufen, doch inzwischen
akzeptierte selbst ein in seinen Ermittlungsmethoden so konservativer Haudegen
wie Christian, dass wissenschaftliche Polizeimethoden wie das Profiling zum
Ermittlungserfolg beitragen konnten.
»Wenn Knackis und Militärs durchs Raster laufen, was ist mit
erfassten Sadisten, die gerade nicht in der Geschlossenen einsitzen, sondern
drauÃen omnipotent ihr groÃes Dings beleben?«, fragte Volker.
»Ãberprüfung läuft seit Samstag. Bisher ohne Ergebnis.« So ganz ohne
Spott ging es wohl immer noch nicht, dachte Pete. »Und was ist mit dir?«,
wandte er sich an Christian. »Hast du schon eine mögliche Version vom
Tathergang?«
Nachdenklich öffnete Christian zwei neue Biere und reichte eines
davon Pete. »Du hast einige Punkte angeschnitten, in denen ich mit dir absolut
übereinstimme. Uta kannte ihren Mörder, sie ist kein Zufallsopfer. Sie
verschwindet auf einer Dreihundert-Meter-Distanz zu ihrem Haus. Niemand bemerkt
etwas. Kein Schrei, keine Kampfhandlung. Der Täter hat sie nicht betäubt, sonst
hätte Karen Spuren gefunden. Also ist sie entweder freiwillig mitgegangen, oder
er hat sie unauffällig und geräuschlos überwältigt. Das wiederum halte ich für
schwierig in der belebten Umgebung. Falls es so war, könnte die These
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