Eisblut
Gegenzug seine Computer-Kenntnisse eine
geraume Zeit in Christians Dienste. Seitdem war Daniel in seiner beratenden
Funktion bei Christians Truppe nicht mehr wegzudenken. Und die falschen
Regierungserklärungen hatten schlagartig aufgehört.
»Was will denn das BKA hier?«, wollte Daniel wissen.
»Keine Ahnung«, gab Christian zur Antwort, »auÃerdem ist Fred schon
seit acht Monaten nicht mehr beim BKA. Der hat in München âne neue Frau
kennengelernt und ist aus reinem Pragmatismus zum BND nach Pullach gewechselt.
Als Ausbilder. Mir rätselhaft, wie man zu dem Sauhaufen gehen kann, aber Fred
war schon immer reichlich schmerzfrei.«
Bei Erwähnung des Bundesnachrichtendienstes zuckte Daniel merklich
zusammen, doch das entging Christian, denn es klingelte an der Tür. Er ging
öffnen. Vor der Tür stand ein kurzbeiniger, übergewichtiger Kauz mit sauber
gescheitelten, braun gefärbten Haaren, ungesunder Röte im teigigen Gesicht und
einem schlecht sitzenden Anzug in Marineblau. Die türkisfarbene Krawatte auf
dem Karohemd verbesserte den Anblick keineswegs, aber der abschreckende
Gesamteindruck wurde durch das Strahlen in den Augen abgemildert. Christian
empfing seinen Freund mit einer kräftigen Umarmung. Als gelte es, ein seltsames
asiatisches Massageritual zu vollziehen, klopfte Thelen Christian rhythmisch
Schulter und Rücken ab. Dann trat er ein, sah sich kurz um, begrüÃte Daniel und
Yvonne freundlich und folgte Christian in sein Zimmer.
»Ganz schöne Bruchbude hier«, meinte er überrascht, nachdem er sich
in Christians klapprigem Besucherstuhl niedergelassen hatte. Der Stuhl schien
unter Thelens Gewicht seinen Dienst quittieren zu wollen.
Christian nickte: »Entspricht dem Respekt, den man uns
entgegenbringt. Geht auf mein bescheidenes Konto, schätze ich, denn meine Leute
sind verdammt gut.«
Thelens zustimmendes Lächeln wirkte zweideutig, doch er erklärte
sich nicht genauer und erging sich erst einmal in der freundschaftlichen
Aufarbeitung der letzten Monate. Die beiden tauschten die Eckdaten ihrer
beruflichen und privaten Entwicklungen aus, wobei es Christian überraschte,
dass Thelen über seine wahrlich sehr aktuelle Wiedereinstellung auf dem
Laufenden war.
»Es ist unser Job, über alles Bescheid zu wissen«, sagte Thelen.
Christian machte keinen Hehl daraus, was er von dem neuen
Arbeitsplatz seines Freundes hielt. Ihm selbst war politisches Agieren zuwider,
und deshalb konnte er nicht verstehen, wie man sich freiwillig in diesen
moralischen Morast aus Diplomatie genannter Verlogenheit, Intrigen und
Machtspielen begeben konnte, um widerspruchslos einem Staat und einem status
quo mit Methoden zu dienen, von denen man nur schwerlich voll und ganz
überzeugt sein konnte. Thelen sah das alles weitaus pragmatischer und
belächelte Christians Vorbehalte. Für ihn war seine Arbeit beim
Bundesnachrichtendienst ein Job wie jeder andere auch, und die hohe Schule der
Intrigen hatte er beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden schon gelernt.
»Sobald du als Bulle von der StraÃe bist und die höhere Laufbahn
einschlägst, gibst du deine Ideale ins Pfandleihhaus. An jeder Weggabelung
willst du zurück und sie wieder auslösen, doch du gehst immer einen kleinen
Schritt weiter. Einen nach dem anderen. Weiter weg von dem, was du mal wolltest
und was du mal warst. Das solltest du selbst am besten wissen«, fand Thelen.
Beide schwiegen eine Weile.
»Warum bist du hier?«, fragte Christian schlieÃlich ernst. »Doch
nicht nur aus alter Freundschaft.«
»Ich habe in Hamburg wegen einer anderen Geschichte zu tun, da
dachte ich, ich besuche dich und stelle dir persönlich eine Frage, die unserem
Verein auf die Leber drückt. Wieso interessiert ihr euch für David Rosenbaum?«
Christian sah Thelen verständnislos an: »Für wen? Wer ist das?«
Thelen erinnerte Christian, dass sein Kollege Pete Altmann eine
formelle Anfrage an den BND gestellt hatte bezüglich irgendwelcher Kenntnisse
über orientalische Geheimdienstler in Hamburg.
Davon wusste Christian: »Die Antwort kam prompt. Sah aus wie ein
Formbrief, geschrieben von den drei Affen: nix sehen, nix hören, nix sagen.«
Thelen grinste nur.
»Aber wir haben nicht ernsthaft Hilfe von deinem Laden erwartet, ist
auch nicht so wichtig, die Spur läuft wohl eh ins Leere«, fuhr Christian fort.
Sein sofort erwachtes Interesse
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