Eisblut
an dem Thema verbarg er vorerst sorgsam. Er
erklärte Thelen die vagen Theorien und Zusammenhänge, die zu der mehr aus
Gründen der Vollständigkeit rausgeschickten Anfrage geführt hatten. Mit ruhiger
Konzentriertheit hörte Thelen zu und gab Christian schlieÃlich recht: Der Fall
wies auch seiner Meinung nach auf einen krankhaften Sadisten ohne politischen
Hintergrund hin.
»Umso mehr interessiert es mich, wieso dann ein sehr begabter Hacker
in unser System eingebrochen ist und Geheimdienstler-Daten mit Bezug zu Hamburg
abgefragt hat.«
Christian sah Thelen abwartend an: »Davon weià ich nichts.«
Thelen lachte: »Dachte ich mir, dass du das sagst. Fest steht
jedenfalls, es ist passiert. Unser Fachpersonal am Computer hat den Einbruch
bemerkt und die Spur verfolgt. Man hat mir erklärt, bei Hackern sei es genau
wie bei realen Einbrechern. Jeder Profi hat seine eigene Handschrift. Die einen
treten die Tür ein, die anderen kommen wie ein leichter Windhauch durchs
Schlüsselloch. Bei uns im System war ein Windhauch, und angeblich war das genau
die von meiner Fachkraft übrigens sehr bewunderte Handschrift eines Hackers,
der sich früher DK nannte, der Dekonstruktivist.«
Natürlich ahnte Christian längst, worauf Thelen hinauswollte,
dennoch stellte er sich dumm: »Und was hat das mit uns zu tun? Wie weit konntet
ihr die Spur verfolgen?«
»Nur bis Hamburg, dann brach der Kontakt ab. Ich sitze hier, weil
man mir erklärt hat, dass vor zwei Jahren in der Szene gemunkelt wurde, der
Komiker, der die gefälschten Meldungen aus der Regierung abgesetzt hat, wäre
der Dekonstruktivist. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. â Wie heiÃt
der junge Mann noch, den du mir damals aus der Verhaftung rausgeschwatzt hast
und der jetzt hier ganz brav und unauffällig im Nebenzimmer sitzt?«
Christian erhob sich, ging zur Tür und schrie durch den Flur. Wenig
später kam Daniel ins Zimmer geschlurft, in der Hand eine Selbstgedrehte, und
tat gelangweilt: »Was gibtâs?«
»Kennst du einen Kerl, der sich âºDekonstruktivistâ¹ nennt?«, fragte
Christian.
Lässig setzte sich Daniel auf einen Karton mit Akten, der sich
gefährlich unter ihm ausbeulte. »Klar, der Typ ist berühmt. Hab ihn mal in âner
Kneipe getroffen. Im Web natürlich nur.«
Thelen winkte ab und wandte sich an Christian: »Lass mal stecken,
mein Lieber. Ich habe nicht erwartet, dass der Macker hier was zugibt.« Er
drehte sich zu Daniel: »Falls Sie den Dekonstruktivisten mal wieder treffen, im
Web natürlich nur, richten Sie ihm GrüÃe von seinem Verfolger aus. Er war
beeindruckt, will den DK aber nicht wieder in seinem Hoheitsgebiet erwischen.«
»Wie heiÃt der Jäger denn?« Daniel war seine Neugier deutlich
anzumerken.
»Sie werden verstehen, wenn ich Ihnen nicht den Klarnamen gebe. Aber
meine Kraft nennt sich Sergeant Ripley.«
»ScheiÃe, âne Tussi.« Ãberrascht pfiff Daniel durch die Zähne. Die
Asche seiner Zigarette fiel auf den Dielenboden, er hatte schon seit geraumer
Zeit vergessen zu rauchen.
Thelen sah auf die Uhr und erhob sich: »Ich muss mein Weib beim
Frisör abholen und dann noch zum Innensenator. Unser Gespräch hier bleibt
natürlich streng vertraulich. Wenn du willst, gehen wir heute Abend einen
trinken, dann stelle ich dir mein neues Glück mal vor. Eine Schaumgeborene, sag
ich dir. Aus bayrischem Bierschaum, frisch und süffig.«
Christian lachte: »Gerne, wenn nichts dazwischenkommt, wir
telefonieren. Aber du gehst mir nicht hier raus, bevor du mir nicht erklärt
hast, wer David Rosenbaum ist.«
»Hat Gott sei dank nichts mit euch zu tun, ich wollte mich nur
vergewissern, an welchem Thema ihr dranhängt, weil wir in unserem Laden eine
Menge Stress haben wegen der CIA-Geheimflüge kreuz und quer in Europa und
über Deutschland. Von denen der BND aber selbstredend nichts wusste. Ãberhaupt
nichts. Den Rest kann dir sicher dein Spezialist hier erklären.« Er zwinkerte
Daniel zu und verabschiedete sich.
Kaum war er weg, fixierte Christian seinen Computerfreak mit
funkelndem Blick: »Okay, wer ist Sergeant Ripley, wer ist der Dekonstruktivist,
und wer ist David Rosenbaum? Und wieso sitze ich vor Thelen wie ein
Grenzdebiler, der von nichts eine Ahnung hat?«
Daniel zündete sich die Kippe neu an: »Letzteres kann ich dir nicht
sagen.
Weitere Kostenlose Bücher