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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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äußerst fehl am Platz und beschloss, sich
so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. Doch kaum hatte er sich
unauffällig Richtung Ausgang geschoben, war Manuela an seiner Seite und zog ihn
in die Küche.
    Â»Ist es nicht unglaublich, dass er zur Beerdigung unserer
gemeinsamen Tochter dieses Billigklischee aus tausendundeiner Nacht
anschleppt?«
    Â»Sie ist seine Frau.« Christian war die Situation unangenehm.
    Â»Und das ist mein Haus«, zischte Manuela.
Ihr Atem roch stark nach Wein.
    Â»Dann bitte sie zu gehen.«
    Rau lachte Manuela auf: »Mir eine Blöße geben? Das würde Herbert
gefallen. Nein, nein, ich zeige mich ganz von meiner souveränen Seite.«
    Â»Dann brauchst du ja mich nicht mehr. Ich verschwinde jetzt.«
Genervt wollte sich Christian verabschieden, aber Manuela stellte sich ihm in
den Weg. Ihr Gesicht verzog sich ins Weinerliche.
    Â»Bleib hier, bitte. Lass mich heute nicht allein.« Sie machte einen
Schritt auf ihn zu und schob ihren Körper gegen seinen.
    Â»Manuela, lass das. Außerdem bist du nicht allein. Dein Sohn ist für
dich da.« Unauffällig versuchte Christian, sich aus Manuelas drängender Nähe zu
befreien, doch sie legte einen Arm um seinen Hals und blickte ihn nur noch
fordernder an. »Mein Sohn. Was kann der schon tun? Ich brauche einen Mann heute
Nacht. Bleib hier, bis alle weg sind, und geh mit mir ins Bett.«
    Möglichst sanft dreht Christian Manuelas Arm von seinem Hals weg.
»Du bist betrunken, Manuela.«
    Â»Und widerlich«, meinte Lars, der plötzlich in der Tür stand und
seine Mutter verächtlich ansah. Manuela ließ Christian los, sank auf einen
Stuhl und begann zu weinen.
    Â»Ich will mich doch nur mal wieder ein wenig lebendig fühlen! Ist das
so schwer zu verstehen?«, brachte sie zu ihrer Entschuldigung hervor. »Jetzt,
wo Uta tot ist, was bleibt mir denn noch?« Sie hob plötzlich den Kopf und
giftete Lars an: »Uta war wie ich. Du, du bist wie dein Vater! Kalt, gefühllos,
für euch zählen nur Ergebnisse. Aber was in einem Menschen vorgeht, was da drin
wirklich vorgeht«, sie klopfte sich dabei gegen die Brust, »das interessiert
euch nicht. Der Mensch macht Fehler, und wenn er Moral hat, dann bereut er und
macht es wieder gut. Und dann verzeiht man. Aber du und dein Vater, ihr habt
mir nie verziehen!«
    Manuelas Stimme wurde lauter und schriller. »Bloß, weil ich mit
diesem miesen Scheißbullen hier«, sie deutete auf Christian, »ein Verhältnis
angefangen habe, während dein Vater mal wieder keine Zeit für mich hatte! Ich
hab’s bereut, ich hab’s doch bereut! Aber das hat keiner begriffen, nur Uta!
Die hat zu mir gehalten.«
    Christian war Manuelas Auftritt peinlich, und er wollte nur fliehen.
Aber auch jetzt kam er nicht raus, denn Lars stand im Weg. Er war während der
Ansprache seiner Mutter immer bleicher geworden, er ballte die Fäuste und ging
zu einer Aktentasche, die in der Ecke neben dem Kühlschrank stand.
    Â»Nein, Mutter, jetzt ist Schluss, so leicht kommst du mir diesmal
nicht davon«, erwiderte er äußerst erregt, »immer nur Uta, von wegen. Ich habe
versucht, dir nach der Scheidung beizustehen, aber du wolltest nur in
Selbstmitleid baden.«
    Lars zog einen Umschlag aus der Aktentasche. »Uta hat dich
verstanden? Du bist ihr genauso auf den Wecker gegangen wie mir! Du hast ja
keine Ahnung von Uta.« Wütend drückte Lars seiner Mutter einen Stapel Papier in
die Hand und befahl ihr unmissverständlich, zu lesen.
    Christian erkannte den Stapel sofort. Es waren die Kopien von Utas
Tagebuch, die er Lars gegeben hatte. Er erinnerte sich verdammt gut, wie Lars
ihn bat, dieses Schriftstück niemals Manuela zu zeigen. Sie würde es nicht
verkraften. Christian bezweifelte stark, dass Lars sich einen passenden Moment
ausgesucht hatte, seine Meinung zu ändern. Er hingegen hatte den Moment
verpasst, dieses Haus zu verlassen. Jetzt würde er nicht gehen können, bevor
Manuela mit dem Lesen fertig war. So unwahrscheinlich es schien, vielleicht
wusste sie doch etwas über den geheimnisvollen Liebhaber ihrer Tochter.
Christian hätte ihr das Tagebuch sowieso zeigen müssen. Er hätte aber gerne
einen besseren Augenblick abgewartet.
    Anna lag bei Weinheim auf der Couch und ging auf eine
schwierige Reise in die Vergangenheit. Unter Weinheims sanfter Anleitung
tastete sie sich entlang

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