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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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war
selbst ihm der Geruch einfach zu viel.
    Â»Nach einer Studie der Rechtsmediziner in Münster entkleiden nur
zwanzig Prozent aller Ärzte die Toten bei der vorgeschriebenen Untersuchung.
Kein Wunder, dass viele Indizien übersehen werden«, meckerte Karen. »Auf dem
Totenschein steht dann natürliche Todesursache, obwohl die Leiche im Rücken
fünf Messerstiche hat. Unglaublich? Hast du ’ne Ahnung! Natürlich gibt’s auch
ein paar gründliche Ärzte, aber die haben dann Probleme mit Polizeibeamten,
wenn sie es mit der Todesursache zu genau nehmen. Letztes Jahr wurde ein
Internist, den ich kenne, bei der Leichenschau eines Neunzigjährigen gefragt,
ob er aufgrund des Alters nicht ein Auge zudrücken könne. Und woran liegt’s? Am
Budget. Die Beamten können nicht so viele rechtsmedizinische Gutachten in
Auftrag geben, wie sie möchten. Und dann landet eine der vielen Leiche
schließlich doch bei uns, und meine Kollegen bauen Bockmist. Woran liegt’s? Am
Budget? Klar sind wir alle überlastet. Und klar, dass gespart werden muss. An
Zeit, an Geld, an Ausstattung, an Personal, an allem. Trotzdem frage ich mich
manchmal, wie einige Kollegen ihren Job machen. Ist das wirklich einfach nur
Schlamperei, oder sind die zu bescheuert? Oder liegt’s daran, dass es eine
Nutte war, dazu noch eine asiatische Nutte. Berufsrisiko. Abgestochen,
ausgeblutet, fertig. Teure Gewebeuntersuchungen? Wozu? Die Nutte interessiert
doch eh kein Schwein!«
    Ihr Handy auf dem Regal an der Wand klingelte »Gehst du mal ran?«,
bat Karen Pete. Sie hatte ihre Hände in Gummihandschuhen und hantierte in dem
verwesten Leichnam auf dem Metalltisch vor ihr. Als Pete nach einem kurzen Gespräch
auflegte, grinste er. »Christian amüsiert sich prächtig auf dem Leichenschmaus
von Uta Berger. Die Mutter hat sich betrunken, der Sohn ist ausgerastet, und
jetzt liest die Mutter das Tagebuch, die Geschichte der O., und Christian
wartet ab, ob ihr was dazu einfällt oder er sie wegen moralischem Kollaps in
die Geschlossene einweisen lassen muss.«
    Karen fand Pete etwas pietätlos, beließ es jedoch bei einer
tadelnden Bemerkung und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Immerhin hatte Pete
sie von ihrem Sermon über nachlässige Kollegen abgelenkt.
    Â»Hier, schau mal. Diese winzigen Spuren auf dem
Oberschenkelhalsknochen rechts und den beiden Rippenbögen sind von den
Einstichen. Die Polizei hat einen ausgerasteten Freier vermutet, aber ich
glaube, dass diese Frau hier Opfer unseres Killers war. Tiefe der Kerben,
Eintrittswinkel der Messerschneide und auch die Kanten … genau wie bei der
Berger. Die Leiche ist leider in keinem guten Zustand mehr, aber es ist
festzustellen, dass Finger- und Zehennägel ausgerissen worden sind. Das macht
kein Freier im Affekt. Das ist die akribische Arbeit eines Besessenen.«
    Pete warf einen Blick über Karens Schulter, widmete sich dem
unerfreulichen Anblick allerdings nicht lange. Er vertraute Karen.
    Â»Bei den Gewebeuntersuchungen haben wir Hinweise auf Verbrennungen
gefunden, die durch Elektroschocks verursacht worden sein können. Ähnliche
Nekrosen der Muskulatur wie bei Berger. Aber erheblich mehr und weitaus
gravierendere Sehnenrisse, sodass sich vermuten lässt, das Opfer ist zusätzlich
gestreckt worden.« Karen zog sich die Handschuhe mit einem schnalzenden
Geräusch ab, ging zum Regal und nahm einen Schluck Kaffee aus der dort
stehenden Tasse.
    Â»Den Bericht mailt euch meine neue Assistentin Nicole heute noch zu,
ebenso die Fotos. Ich will nicht kategorisch behaupten, dass das kein Freier
war. Aber auch wenn es einer war, ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass der
gleiche Kerl Uta Berger und Georg Dassau umgebracht hat.«
    Â»Glaubst du, dass die kleine Berger sich möglicherweise prostituiert
hat?«, fragte Pete nachdenklich.
    Karen schüttete den Rest ihres Kaffees in den Ausguss der
Metallspüle, in der sie sich sonst das Blut von den Fingern wusch. »Das
rauszufinden, ist euer Job.«
    Christian kam gegen acht Uhr abends nach Hause. Er war
emotional vollkommen erschöpft. Nachdem Manuela das Tagebuch ihrer Tochter
gelesen hatte, war sie komplett zusammengebrochen. Die Gäste waren längst
gebeten worden zu gehen, und auch Manuelas Exmann hatte sich mit seiner Frau
verabschiedet, wobei es noch zu einer hässlichen Szene zwischen Manuela und ihm
gekommen war. Übrig blieb

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