Eisblut
Helmut-Newton-Fotografien, sicher alles Originale, zu Klump geschlagen.
Quer über eine Wohnzimmerwand war in aggressivem Blutrot ein Aufruf zur
Kastration aller Männer gesprüht worden.
Neben Christian und Pete stand der Hausmeister der exklusiven
Wohnanlage und betrachtete entsetzt dieses Werk der Zerstörung. Da Martin
Abendroth auf Christians Klingeln nicht geöffnet hatten, sollte ihnen der
Hausmeister mit seinem Schlüsselbund behilflich sein. Es war jedoch nicht nötig
gewesen. Die Wohnungstür stand weit offen.
»Das muss gerade erst passiert sein«, meinte der Hausmeister
fassungslos. »Ich habe den Krach gehört, aber bei Herrn Abendroth ist es oft
recht laut. Da kommen zu den seltsamsten Zeiten komische Geräusche aus der
Wohnung, aber er schätzt es überhaupt nicht, wenn man ihn stört und nachfragt.
Also habe ich mir nichts dabei gedacht. AuÃer, dass er ⦠na ja, halt mal wieder
Besuch von jungen Frauen hat und ein wenig über die Stränge schlägt.«
Volker kam vom Hausflur in die Wohnung. »Die Nachbarin von unten hat
zwei junge Frauen wegrennen sehen. Die Kleinere hatte einen Baseballschläger in
der Hand. Der Beschreibung nach würde ich sagen, Kiki und ihre blonde Gespielin
haben in memoriam Uta hier abgeholzt.«
Christian warf einen Blick in das geräumige Schlafzimmer, in dessen
Mitte ein nun in seine Einzelteile zerlegtes Metallbett stand. »Der Kerl hatte
vermutlich Glück, dass er nicht zu Hause war. Bei allem, was wir über Kiki
wissen, hätte sie ihm sicher sämtliche Knochen gebrochen.«
»Hätte sieâs bloÃ, dann könnten wir sie jetzt einsammeln. Aber so?
Unser Hauptverdächtiger ist auf der Flucht, schätze ich. Gestern Abend erfährt
er, dass wir einen Zeugen haben. Heute Nacht kommt er nicht nach Hause. Kann
Zufall sein, aber ich finde, es stinkt«, meinte Pete.
Auch Christian war genervt. Jetzt mussten sie erst mal überprüfen,
ob sich der Fluchtverdacht erhärtete. Dann würden sie Oberstaatsanwalt Waller
von einer Fahndung überzeugen müssen.
»Ich fahre zu seinen Eltern nach Othmarschen. Vielleicht sitzt er ja
schlicht bei Mami und wartet, bis das Dienstmädchen seine Wäsche gebügelt hat«,
sagte Volker.
»ScheiÃe!«, fluchte Christian und sah auf die Uhr, »die Eltern! Ich
muss weg. Haltet mich auf dem Laufenden! Und findet den Kerl! Heute noch!«
Ohne weitere Erklärung rannte er nach unten. Erst auf der StraÃe
fiel ihm mal wieder ein, dass er kein Auto hatte. Er war mit Volker und Pete
gekommen. Also zückte er sein Handy und gab Volker den dienstlichen Befehl,
ebenfalls sofort nach unten zu kommen, um ihn schnellstmöglich nach Hause zu
fahren. Anna wartete.
Christian saà grübelnd neben Anna im Auto, während sie zur
Maybach-Villa in der Elbchaussee fuhr. So richtig fassen konnte er nicht, dass
er zu einem bürgerlichen Mittagessen mit ihm fremden Menschen fuhr und
belanglose Konversation über das Wetter und die Qualität des Elbwassers machen
würde, während seine Truppe zur gleichen Zeit diesem Martin Abendroth
hinterherjagte, einem mutmaÃlichen Mörder und krankhaften Sadisten. Alles wegen
Anna. War Liebe wirklich etwas Sinnvolles? Immerhin war er, bevor er Anna
kennengelernt hatte, jahrelang gut ohne ausgekommen. Seit er jedoch seine
Gefühle für Anna zulieÃ, hatte es jede Menge Ãrger gegeben. Christian trommelte
mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln herum. Was tat er hier eigentlich?
Wieso war er nicht bei Volker und den anderen?
»Bist du nervös?«, fragte Anna mit einem kleinen Lächeln auf den
Lippen. Irritiert fuhr Christian aus seinen Gedanken hoch: »Wieso das denn?«
»Weil ich dich meinen Eltern vorstelle. Vielleicht fragt mein Vater,
ob du es ernst mit mir meinst und ob du genug verdienst, um mir meine
Designerschuhe kaufen zu können.«
Christian schwieg. Er war nicht in der Lage, auf Annas leichten
Tonfall einzugehen.
Mit Schwung fuhr Anna die Kiesauffahrt zu ihrem Elternhaus hoch und
parkte direkt vor der Freitreppe. Nach einer freundlichen BegrüÃung und einem
Aperitif, der im Salon eingenommen wurde, fand sich Christian an einer hübsch
gedeckten Tafel sitzen, aà zur Vorspeise eine Aalsuppe und parlierte bemüht mit
Annas Mutter über das Wetter und die botanischen Probleme, die der heiÃe Sommer
im Garten verursacht hatte. Evelyn
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