Eischrysanthemen
klingen, konnte Vincent feine Schweißperlen auf seiner Stirn erkennen. Unbeteiligt zuckte Vincent mit den Schultern.
„Es würde mich kaum berühren. Ich arbeite für Kulturmagazine, und da gibt es derartige Dinge nicht. Du siehst, ich habe nichts zu verlieren, du jedoch alles. Also?“ Vincent sah, wie es in Andrews arbeitete, wie er nach einem Ausweg suchte und keinen finden konnte.
„Du bluffst. So ein abgebrühter Typ bist du nicht. Komm schon, wir hätten beide was davon“, versuchte ihn Andrews mit einem gepressten Lächeln auf seine Seite zu ziehen, doch in Vincent rührte sich keine Gnade.
„Ich meine es ernst. Wenn du mir hier und jetzt nicht versprichst, dass du Kira in Ruhe lässt und alles, was mit ihm zusammenhängt, vergisst, wirst du dich vor Verleumdungsklagen nicht mehr retten können, welche dir deine ehemaligen Informanten anhängen werden“, sagte Vincent drängend.
Andrews sah ihn einige Augenblicke an und ließ sich auf einen Stuhl fallen, um gleich darauf zu lachen. Es war kein freundliches Lachen, sondern ein bitteres.
„Auf diese schlaue Idee bist du nicht alleine gekommen, stimmt’s?“
Vincent antwortete nicht.
„Also gut, ich werde darauf verzichten. Aber glaub mir, du wirst es bereuen, mich so angegangen zu haben.“ Wahrscheinlich war das keine leere Drohung, aber Vincent konnte damit leben. Er nickte.
„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Schönen Tag noch, Bob“, sagte Vincent, bevor er sich mit dem befriedigten Gefühl abwandte, sein Versprechen gehalten zu haben. Er war sich ziemlich sicher, dass Andrews ihm deswegen Probleme machen würde, aber es gab so viele Jobs in London. Außerdem war es vielleicht auch an der Zeit sein Buch zu überarbeiten? Um neue Wege zu beschreiten, musste man die Alten verlassen, und Vincent hatte das Gefühl, richtig gehandelt zu haben. Das ließ seine Sorge etwas kleiner werden. Er konnte selbst nicht glauben, was er alles nur wegen Kira getan hatte. Nicht nur, dass er die Chance auf einen festen Job hingeworfen hatte, er hatte sich auch gegen Andrews gestellt, seinen Vorsatz, nicht mit den gleichen Mitteln wie er zu arbeiten, gebrochen und sich obendrein Hals über Kopf verliebt. Es fühlte sich so gut an, dass Vincent auf dem Weg nach Hause fast gelacht hätte.
Es war ein seltsames Gefühl, später am Abend im Theater zu sitzen und zu wissen, dass es die vorerst letzte Vorstellung war, die er von Kira sehen würde. Doch gerade dieses Bewusstsein ließ ihn die Darbietung besonders genießen. Jetzt sah er die Vorstellung mit ganz anderen Augen. Was ihn jedoch am meisten erstaunte, war die enorme Wandlungsfähigkeit, die Kira an den Tag legte. Obwohl er in den letzten Tagen soviel Zeit mit ihm verbracht hatte, konnte er von dem Mann, den er liebte, nur wenig auf der Bühne finden. Die perfekte Illusion einer Frau stand im bläulichen Bühnenlicht, ganz in Weiß gekleidet, und erzählte eine sonderbare Geschichte, die Vincent sicher noch immer nicht ganz verstanden hatte, trotz Kiras Erklärung. Es störte ihn nicht, denn er konnte auch Kira nicht ganz verstehen, was aber nichts an seinen Gefühlen änderte. Die Vorstellung endete, und während die Zuschauer raunend den Zuschauerraum verließen, schlüpfte Vincent zu der kleinen Tür, die hinter die Bühne führte. Dort achtete man gar nicht auf ihn, denn in der Dunkelheit der Seitenbühne verschmolz er fast vollständig mit dem Gedränge. Zielstrebig suchte er Kiras Garderobe auf, nicht ganz sicher, wie er ihn antreffen würde.
Nach einem kurzen Klopfen betrat er den Raum und erblickte Kira, der in vollem Kostüm in der Mitte des Raumes stand. Keine seiner japanischen Assistentinnen war in Sicht, und wahrscheinlich war es auch besser so, denn Vincent hatte die Tür noch nicht richtig hinter sich geschlossen, als Kira schon auf ihn zueilte. Es waren nur wenige Schritte, aber sie genügten trotzdem, um die langen Ärmel des weißen Kimonos wie Schwingen wirken zu lassen. Dazu kam das maskenhafte Gesicht sowie die Perücke, die Kira faszinierend weiblich wirken ließen. Bevor Vincent auch nur einen Ton hätte sagen können, presste sich Kiras gut verpackter Körper gegen seinen. Männliche Arme umschlangen seinen Nacken und ein warmer Mund presste sich auf seinen. Wegen des glatten, edlen Stoffs wusste Vincent nicht, wie er ihn umarmen sollte, zumal der großzügige Knoten in Kiras Rücken eine Umarmung schwierig machte. Er roch nach Puder und schmeckte wie immer. Vincent zog den
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