Eischrysanthemen
nun die kleine, etwas schmuddelige Bar betrat, beschlich ihn durchaus das Gefühl, dass Chuck die bessere Wahl getroffen hatte.
„Sieh einer an, da kommt der Grünschnabel“, erklang es vom spärlich erleuchteten Tresen. Der Mann, der hinter der Theke stand, war stämmig, so groß wie Vincent und hatte so kurz rasiertes Haar, dass man unmöglich hätte erkennen können, ob es nun blond oder schon grau war. Neben ihm stand eine Tresenkraft, welche sich mit einem Heftchen beschäftigte. Chucks kleine Knopfaugen musterten Vincent, als dieser näherkam. „Hätte gedacht, dass du nach deinem Vorstellungsgespräch schneller wieder hier auftauchst. Oder ist es schlecht gelaufen? Falls du den Journalismus hinwerfen willst, ich könnte noch eine Tresenkraft gebrauchen.“ Chuck lachte dunkel und ließ Vincent sich setzen, bevor er ihm ungefragt einen Drink hinstellte. Er beugte sich nach vorn, um Vincents Gesicht zu betraten.
„Soweit ist es zwar noch nicht gekommen, aber dennoch danke für das Angebot.“ Höflich griff Vincent nach dem Drink und nahm einen Schluck. Für das folgende Gespräch würde er einen kühlen Kopf brauchen. „Eigentlich bin ich zu dir gekommen, um mit dir über Andrews zu reden.“ Vincent sah keinen Sinn darin, die Katze im Sack zu lassen. Zumal es kein Geheimnis war, dass Chuck und Andrews sich nicht mehr mochten. Er wusste, dass Chuck niemals ein Geheimnis daraus gemacht hatte, dass er verärgert war, weil Andrews ihn ausmanövriert hatte. Wie er erwartet hatte, hoben sich Chucks Augenbrauen und über seine Züge huschte Interesse.
„Hört sich an, als wenn er dir auf den Schlips getreten wäre“, brummte er.
Vincent senkte kurz den Blick und wählte die Worte mit Bedacht.
„Mir nicht direkt, aber er hat vor, jemanden, den ich kenne, zu diskreditieren. Und das möchte ich verhindern. Leider habe ich keine Möglichkeit ihn davon abzubringen.“ Vincent war sich nicht ganz sicher, ob Chuck ihm würde helfen wollen, aber immerhin lag die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er Glück haben konnte.
Chuck blieb zunächst still, bevor er sich aufrichtete und dann mit dem Kopf in eine Ecke der Bar wies.
„Wir sollten uns dorthin setzen“, sagte er bestimmt und warf seine Schürze auf den Tresen, bevor er sich zu dem in der Ecke liegenden Tisch begab. Vincent folgte ihm, während die gelangweilte Tresenkraft weiter in ihrem Heftchen Rätsel löste.
„Du hast seit deinem letzten Besuch hier aber reichlich schnell deinen Vorsatz verloren, nicht im Dreck anderer Leute rumzuwühlen, wenn du so direkt über Andrews reden willst. Hat das einen besonderen Grund?“ Die Frage war forschend gestellt, und da Vincent sich keine Ausrede zurechtgelegt hatte, die auch jemand wie Chuck glauben würde, entschied er sich, so nah wie nur möglich bei der Wahrheit zu bleiben.
„Ja, hat es. Aber ich denke auch, dass es an der Zeit ist, ihm eine kleine Lektion zu erteilen.“ So selbstbewusst hatte Vincent gar nicht klingen wollen. Chucks Kopf vor ihm bewegte sich langsam, als würde er nicken wollen, und dann brach der Mann in Lachen aus.
„Und du bist der Meinung, dass du der richtige Kerl dafür bist? Er wird dich fressen und zwar mit Haut und Haar, ganz davon abgesehen, dass du nichts gegen ihn in der Hand hast, weil du sonst gar nicht erst hier wärst.“ Damit traf Chuck den Nagel auf den Kopf.
„Es stimmt, ich habe nichts gegen ihn in der Hand. Aber du hast lange mit ihm gearbeitet und dir fällt sicher etwas ein.“ Nun war er zur Sache gekommen, und jetzt würde sich zeigen, ob seine Idee tatsächlich so schlau war und ob sie Früchte tragen würde.
„Warum sollte ich dir helfen? Immerhin war er mal ein guter Freund“, sagte Chuck etwas lauernder.
„Er war es“, wiederholte Vincent. „Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass du ihm vielleicht doch noch eins auswischen möchtest.“ Damit hatte Vincent offensichtlich den rechten Nerv getroffen, denn Chuck brummte etwas und sagte der Tresenkraft Bescheid, dass sie ihm einen Scotch bringen sollte. Sobald dieser vor ihm stand, begann er Vincent einige sehr interessante Details zu erzählen.
Vincent hatte Kopfschmerzen, als er sich am nächsten Morgen aus dem Bett quälte. Er war sehr spät heimgekommen und hatte auch eindeutig etwas zu viel getrunken. Dennoch war das, was Chuck ihm erzählt hatte, sehr interessant gewesen und hatte ihm genug Munition gegen Andrews geliefert. Gut, das war nicht sehr nett, immerhin hatte ihn Andrews am
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