Eisenhand
eine Friedensbotschaft zu überbringen, die keiner haben will. Aber ich hatte doch auf Ihre vielgerühmte germanische Gastfreundschaft gehofft … Statt dessen nun dieses Elend, also das enttäuscht mich schon sehr!« Mit tragischer Gebärde deutete ich auf meine Begleiter, die sich hinter mir duckten. Diesmal mißdeutete ein vermutlich betrunkener Krieger die Situation und schoß wütend nach vorn. Veleda verzog keine Miene, aber einer ihrer Männer hielt den Hitzkopf zurück. Ich seufzte. »Wenn man nur sagen könnte, Ihre Leute wären nicht an Kommunikation interessiert … Leider ist sonnenklar, was sie vorhaben. Darum bitte ich Sie: Wenn Sie meine Botschaft nicht hören wollen, dann lassen Sie mich und meine Gefährten umkehren, und wir melden unserem Kaiser, daß wir gescheitert sind.«
Die Seherin starrte mich an, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch wer ein Leben lang an harte Verhandlungen gewöhnt war, geriet hier in völlig neue Untiefen. Ich schlug zur Abwechslung einen leichteren Ton an. »Sollten Sie ernsthaft vorhaben, uns alle zu Sklaven zu machen, Madame, dann bedenken Sie bitte, daß meine Soldaten allesamt Fischerjungen sind, die nichts von Viehzeug verstehen und keinen Pflug lenken können. Was mich betrifft, so verstehe ich mich zwar ein bißchen auf die Handelsgärtnerei, aber im Haushalt bin ich nicht zu gebrauchen – fragen Sie nur meine Mutter!«
Jetzt hatte ich es geschafft. »Silentium!« befahl Veleda.
Damit hatte ich nicht gerechnet. »Gut, ich bin ein folgsamer Römerknabe, Fürstin. Wenn eine Frau mir auf Lateinisch die Leviten liest, dann gehorche ich aufs Wort!«
Langsam machten wir Fortschritte. Nur führten sie wie gewöhnlich in einen Engpaß, in den ich mich lieber nicht hineingewagt hätte.
Die Seherin lächelte bitter. »Ja, ich spreche eure Sprache. Was blieb mir auch anderes übrig, da ihr Römer euch nie die Mühe gemacht habt, die unsere zu erlernen?« Sie hatte eine kräftige Stimme, ruhig und melodisch, und unter anderen Umständen wäre es sicher eine Freude gewesen, ihr zu lauschen. Ich hatte meine Verblüffung inzwischen überwunden. Alles, was diese Frau sagte und tat, war folgerichtig. Und natürlich wollte sie, wenn römische Händler zu ihr kamen, Nachrichten austauschen und sichergehen, daß niemand sie betrog. Für Botschafter, die aus den Wäldern krochen, galt sicher das gleiche.
Ich hatte zwar in Britannien ein paar keltische Brocken aufgeschnappt, aber zwischen den Völkern dort und den Stämmen hier lagen so viele Meilen, daß einer den Dialekt des anderen sicher nicht verstand.
Also konnte ich nur auf das erniedrigende Ritual der Diplomatensprache zurückgreifen: »Ihre Höflichkeit beschämt uns, hohe Frau.« Das klang wie ein Zitat aus einer schwachen griechischen Komödie, übersetzt von einem Stümper in Tusculum. »Gern priese ich die Dame Veleda ob ihrer Schönheit, doch ich glaube, ihr wären Komplimente über ihre Fähigkeiten und ihren wachen Geist lieber …«
Die Dame Veleda sagte etwas in ihrer Sprache. Nur ein paar kurze Worte, die aber ihre Leute zum Lachen brachten. Wahrscheinlich gebrauchte sie einen viel rüderen Ausdruck, doch sinngemäß erklärte sie: Dieser Mensch langweilt mich.
Na, das war wohl nichts mit der Diplomatie!
Veleda reckte ihr Kinn. Sie wußte, wie hinreißend sie aussah, wollte daraus aber offensichtlich kein Kapital schlagen. »Was«, fragte sie mich bedächtig, »was haben Sie mir zu sagen?«
Das war unmißverständlich, aber ich konnte doch nicht einfach antworten: Wir wollen wissen, wo Munius ist, und sorgen Sie bitte dafür, daß Ihre Krieger den Kampf gegen Rom beenden!
Statt dessen probierte ich es mit meinem charmanten, offenen Lächeln. »Da habe ich wirklich eine unangenehme Rolle erwischt!«
Mit einem ähnlichen Lächeln hatte sich offenbar mal ein Schwindler an sie rangemacht. »Jeder kriegt, was er verdient.« Sie klang genau wie ein anderes überhebliches Mädchen, mit dem ich so oft Streit hatte.
»Veleda, die Botschaft, mit der Vespasian mich schickt, ist für uns alle äußerst wichtig. Darüber kann man nicht leichtfertig bei einem trunkenen Gelage Witze reißen. Sie sprechen doch für Ihr Volk …«
»Nein!« unterbrach sie mich.
»Aber die Brukterer verehren Sie als ihre Priesterin, ja, Prophetin …«
Veleda lächelte still, ein ganz und gar in sich gekehrtes Lächeln, das keinerlei Kontakt zur Außenwelt herstellte, sondern im Gegenteil nur ihre Unnahbarkeit unterstrich. Sie
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