Eisenhand
Reisepaß und einen Satz Landkarten. Dann spazierte ich rüber zum Forum, wo ich mich an eine Säule am Saturntempel lehnte und wartete. Worauf? Auf einen Einbeinigen. Es ging mir um keinen Bestimmten, nein, der Mensch, den ich suchte, brauchte nur eine Bedingung zu erfüllen: Er mußte im Bürgerkrieg gekämpft haben, am besten unter Vitellius.
Vier Leute sprach ich an. Einer war aus dem Osten heimgekehrt, kam also nicht in Frage, und die drei anderen waren Betrüger, die, kaum daß man ihnen eine harmlose Frage stellte, auf zwei Beinen davonrannten. Aber dann fand ich doch noch den Richtigen. Ich ging mit ihm in ein Speisehaus, ließ ihn eine volle Schüssel bestellen, die ich bezahlte, ihm aber vorenthielt, bis er mir Rede und Antwort gestanden hatte.
Er war ein Exlegionär, den man nach seiner Amputation in Rente geschickt hatte. Das konnte nicht lange her sein, denn der rot-wunde Stumpf war kaum verheilt. Mit der »Rente« war es freilich bestimmt nicht weit her, denn für dienstuntaugliche Soldaten, die nicht so rücksichtsvoll sind, gleich ins Gras zu beißen, hat Rom noch nie gut gesorgt. Dieser arme Kerl konnte weder einen Grabstein beanspruchen noch die staatliche Landzuweisung, die pensionierten Veteranen zustand. Also war er nach Rom zurückgehumpelt, wo jetzt nur das Korndeputat und das Gewissen seiner Mitbürger zwischen ihm und dem Hungertod standen. In dieser Woche besaß ich anscheinend das einzig funktionierende Gewissen, und anscheinend war es eine ganz normale Woche.
»Sagen Sie mir bitte, wie Sie heißen und in welcher Legion Sie gedient haben.«
»Balbillus. Ich war in der Dreizehnten.«
»Waren Sie bei den Kämpfen von Cremona dabei?«
»Bedriacum? Ich hab’ nur den ersten mitgemacht.«
Vitellius hatte seine wichtigen Schlachten – die gegen Otho, den er besiegte, und die gegen Vespasian, der ihn besiegte – beide am selben Ort ausgetragen: in einem Dorf namens Bedriacum in der Nähe von Cremona. Das sollte Sie nicht wundern. Als er erst einmal einen hübschen Flecken mit Blick auf den Fluß und landschaftlichen Reizen gefunden hatte – warum hätte er da weiterziehen sollen?
»Bedriacum reicht schon. Mich interessiert, wie die Vierzehnte sich aufgeführt hat.«
Balbillus lachte. Die Vierzehnte Gemina löste immer wieder hämische Reaktionen aus. »Mein Haufen hat manchmal mit denen gesoffen …« Ich verstand den Wink und beschaffte ihm flüssige Stärkung. »Also, was wollen Sie?« Er war unter den schlechtesten Bedingungen aus der Armee ausgeschieden und hatte nichts mehr zu verlieren durch lockere demokratische Reden.
»Ich brauche Hintergrundinformationen. Aber nur aus der jüngsten Zeit. Den heldenhaften Sieg der Vierzehnten gegen Fürstin Boudicca können Sie sich also sparen.«
Diesmal lachten wir beide.
»Die waren schon immer ein rabiater Haufen«, bemerkte Balbillus.
»Allerdings! Falls Sie an Geschichte interessiert sind: Der wahre Grund, warum der göttliche Claudius die Vierzehnte für die Eroberung Britanniens auserkor, war Beschäftigungstherapie. Die Burschen haben nämlich schon vor dreißig Jahren gestänkert. Aber der Einsatz in Germanien führt offenbar zur Meuterei! Also, Balbillus, lassen Sie mich die blumigen Details hören. Als erstes, wie hat die Vierzehnte auf Vespasian reagiert?«
Das war eine riskante Frage, aber er beantwortete sie halbwegs. »Ganz schön durchwachsen.«
»Weiß ich. Im Vierkaiserjahr mußten die Leute mit jedem Neuling, der die Bühne betrat, ihre politische Überzeugung revidieren.« Ich konnte mich freilich nicht erinnern, daß ich die meine korrigiert hätte. Das lag wohl daran, daß ich wie gewöhnlich alle Kandidaten verachtet hatte. »Ich nehme doch an, daß alle britischen Legionen Vespasian als einen der ihren ansahen?«
Balbillus war anderer Meinung. »Viele Offiziere und Soldaten in den britischen Legionen sind von Vitellius befördert worden.«
Kein Wunder, daß Vespasian jetzt so scharf darauf war, einen neuen Statthalter nach Britannien zu schicken, einen, dem er vertrauen konnte. Bestimmt segelte Petilius Cerialis mit dem Auftrag durch die Gallische Straße, drüben jedem Abtrünnigen den Garaus zu machen.
Balbillus brach sich ein Stück Brot ab. »In Britannien haben sich ein paar merkwürdige Dinge abgespielt.«
Ich schob ihm eine Schale mit Oliven hin. »Was ist passiert? Die Skandalversion, wenn’s geht.«
»Die Vierzehnte behauptet, daß der britische Statthalter seine Truppen noch ärger in Rage
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