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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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nach Britannien zurückversetzt, wo nach der Revolte der Boudicca ähnlich rauhe Sitten geherrscht hatten – eine Zeit, an die ich nicht erinnert werden wollte. Auf gar keinen Fall.
    Immerhin, man ließ uns passieren. Mein Laufzettel vom Kaiser erregte zwar Argwohn, erfüllte aber seinen Zweck. Wir wurden gründlich gemustert, protokollarisch erfaßt und dann, mit der Auflage, uns auf der Stelle in der Principia zu melden, durchs innere Tor gelassen.
    Ich war auf Größe und Weitläufigkeit des Lagerinneren gefaßt, aber nicht einmal die labyrinthischen Gänge und Zimmerfluchten des Kaiserpalastes in Rom hatten Xanthus auf diese gewaltige Trutzburg vorbereitet. Moguntiacum war nicht nur ein stehendes Lager, sondern eigentlich zwei. Da zwei Legionen hier stationiert waren, existierten fast alle Einrichtungen in zweifacher Ausführung. Diese Festung war eigentlich eine ausgewachsene Militärstadt. Zwölftausend Mann waren hier zusammengepfercht, und die Kaufläden, Schmieden und Kornspeicher reichten aus, um einer monatelangen Belagerung standzuhalten – den armen Teufeln in Vetera hatten freilich ähnlich gute Bedingungen nichts genützt, als sie von den aufständischen Germanen angegriffen wurden. In einer Trutzburg wie Moguntiacum residierten die beiden kommandierenden Legaten vermutlich jeder in einem kleinen Schloß, das ihre Würde und ihren diplomatischen Status gebührend widerspiegelte. Die Quartiere der zwölf jungen Militärtribunen, die ihnen als Adjutanten dienten, waren so luxuriös, daß die schönsten Villen in Rom daneben verblassen mußten, und sogar die Intendantur, zu der Xanthus und ich unterwegs waren, hatte mit ihrer militärisch-nüchternen Fassade noch etwas Majestätisches.
    Wir traten aus dem kühlen Schatten des Wehrgangs. Über uns ragten die Wachtürme des Torhauses in den Himmel, vor uns dehnte sich – achtzig Fuß breit – die sogenannte Grenzscheide. Diese Schneise, die Schutz vor Wurfgeschossen und raschen Zugang zu allen Bereichen der Festung gewähren sollte, war vorbildlich geräumt. Diese tadellose Haushaltsführung war sicher zur Hälfte das Verdienst der Vierzehnten Gemina, auch wenn die Legion bestimmt ihre Unterlinge die Mülltonnen leeren und die Straßen fegen ließ. Stapel von Ersatzspeeren lagen griffbereit vor den Wällen, daneben säuberlich aufgeschichtete Stapel von Wurf- und Bolzengeschossen. Von den streunenden Tieren und den Wagenkolonnen, die man sonst so oft in Feldlagern sieht, fehlte hier jede Spur. Und falls die heiligen Hühner in Moguntiacum Auslauf hatten, dann jedenfalls nicht in diesem Teil der Festung.
    Ich schleppte den Barbier an den schier endlosen Kasernen vorbei: fast fünfzig Paar (obwohl ich sie, ehrlich gesagt, nicht gezählt habe); in jedem waren hundertsechzig Mann in Zehnergruppen einquartiert. Dazu kam am Ende jedes Blocks noch eine Doppelunterkunft für die Zenturionen. Ausreichend Platz für die Legionäre plus beengtere Quartiere für die einheimischen Hilfstruppen – auf die aber die Vierzehnte derzeit verzichten mußte, weil ihre berühmten acht Bataverkohorten ja zu den Aufständischen übergelaufen waren. Und solange mein Bericht nicht vorlag, würde Vespasian sie auch nicht ersetzen.
    Xanthus war ganz ergriffen von der Atmosphäre; mein Herz klopfte zwar auch ein bißchen schneller, aber nur, weil mich alles so lebhaft an die eigene Militärzeit erinnerte. Ich sah, daß die Festung jetzt, untertags, halb leer war. Ein Großteil der Truppe war sicher auf dem Exerzierplatz oder im Arbeitseinsatz, andere absolvierten ihren allmonatlichen Geländemarsch: zehn Meilen mit voller Montur! Der Rest patrouillierte das Gelände, aber bestimmt nicht bloß zu Übungszwecken.
    »Na, Xanthus, beeindruckt? Warte nur bis heute abend, wenn das Lager voll ist! Dann erlebst du etwas ganz Einmaliges: Zwölftausend Mann, die perfekt aufeinander eingespielt sind!« Er sagte nichts. »Was ist? Rechnest du dir schon aus, was sich mit zwölftausend Rasuren verdienen läßt?«
    »Ha! Das sind auch zwölftausend Varianten von Mundgeruch!« versetzte er heftig. »Und zwölftausend Variationen von ›der Kleinen, die ich letzten Donnerstag flachgelegt habe‹. Nicht zu vergessen die zwölftausendfache Warnung: ›Schneid’ mir ja nicht in die Gurgel, Barbier!‹«
    Wir kamen auf die große Durchgangsstraße. »Xanthus, merke dir diese Straße gut, für den Fall, daß wir getrennt werden und du dich allein nicht zurechtfindest. Das ist die Via Principalis, der

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