Eisenhand
Die Lippe spannte sich über großen, vorstehenden Zähnen; das Gelaber war seine Taktik, mit der er die Kunden weichklopfte. Xanthus fiel darauf herein, was aber nicht viel heißen will. Ich überließ die beiden ihrem Gefeilsche.
Der Hausierer hieß Dubnus, und er verkaufte die üblichen spitzenbewehrten Germanenhelme, »antike« Pfeil- und Speerspitzen (die er offenbar letzten Donnerstag im vorigen Lager vom Müllabladeplatz aufgeklaubt hatte), einen schmutzigen Trinkbecher, der angeblich aus dem Horn eines Auerochsen geschnitzt war, Teile einer »sarmatischen Rüstung«, die Hälfte eines »icenischen Zaumzeugs« und – ganz zufällig – auch noch eine Sammlung Bernstein von der Ostsee.
Zwar waren keine versteinerten Insekten drin, aber der Bernstein war das einzig Annehmbare in seinem Sortiment. Xanthus hatte natürlich keinen zweiten Blick dafür übrig. Ich sagte, ich hätte vielleicht eine Kette für meine Freundin gekauft, wenn die Steine zueinander passen würden und sorgfältiger gefädelt wären. Als Dubnus daraufhin prompt drei oder vier repräsentable Halsketten aus seiner schäbigen Tasche zog und mir zum drei- oder vierfachen Preis anbot, war ich nicht übermäßig überrascht.
Etwa eine halbe Stunde feilschten wir um die Kette mit den kleinsten Steinen. Rein als Stimmübung drückte ich ihn lautstark auf ein Viertel des geforderten Preises und krallte mir dann eine der schöneren Ketten, auf die ich von Anfang an ein Auge gehabt hatte. Der gewitzte Hausierer hatte sich schon sowas gedacht, aber Xanthus war einfach platt. Er wußte ja nicht, daß ich meine Kindheit damit zugebracht hatte, auf dem Gebrauchtwarenmarkt in der Saepta Julia herumzuwühlen. Ich dachte, es sei vielleicht ratsam, ein Geburtstagsgeschenk für Helena zu kaufen – für den Fall, daß sie mir doch noch über den Weg laufen sollte. Sie fehlte mir sehr. Das machte mich zur leichten Beute für jeden, der auch nur einigermaßen geschmackvollen Schmuck anzubieten hatte.
Da er erriet, daß meiner Börse weiter nichts zu entlocken sei, versuchte Dubnus erneut, den Barbier einzuseifen. Er war ein Meister seines Fachs. Als Sohn eines Auktionators machte es mir beinahe Spaß, ihm zuzuschauen. Zum Glück fuhren wir nicht bis runter ins Delta, sonst hätte Xanthus dem Hausierer noch sein ganzes Sortiment abgekauft. Auf das Trinkhorn fiel er allerdings herein. Dubnus schwor, er habe das Horn mit eigener Hand einem jener wilden Auerochsen abgehackt, die für ihren unberechenbaren Jähzorn berühmt sind …
»Ach, Falco, ich möchte zu gern mal so einen zu Gesicht kriegen!«
»Sei lieber froh und dankbar, daß der Wunsch kaum in Erfüllung gehen wird!«
»Haben Sie auf Ihren Reisen denn schon mal einen gesehen?«
»Nein. Aber als vernünftigen Menschen hat mich das auch nie gereizt.«
Seine Neuerwerbung war als Trinkbecher einigermaßen brauchbar; jedenfalls floß ihm beim Ausprobieren nicht allzuviel in den Kragen seiner Tunika. Und er polierte das Unikum so lange, bis es wirklich ganz hübsch glänzte. Daß ein Auerochse keine gebogenen Hörner hat, sagte ich ihm lieber nicht.
Als das Weinschiff sich gemächlich unserem Ziel näherte, begann Dubnus, seine Schätze wieder einzupacken. Xanthus spielte verträumt mit einem Helm. Um ihn vor dem sicheren Bankrott zu bewahren (der ja bedeutet hätte, daß ich künftig alles würde bezahlen müssen), nahm ich ihm das Ding weg.
Auf den ersten Blick sah es aus wie ein normaler Legionärshelm, aber dann entdeckte ich doch Abweichungen. Der moderne Helm hat Nacken- und Wangenschutz, dazu verstärkte Ohrenklappen. Diese Extra-Schutzvorrichtungen wurden wohl wegen der breiten Keltenschwerter entwickelt. Das ursprüngliche Modell, also der unverstärkte Originalhelm, war lange vor meiner Zeit ausrangiert worden. Jetzt aber hatte ich genau so einen vor mir.
»Das muß ja eine richtige Antiquität sein, Dubnus.«
»Ich würde sagen, es ist ein Überbleibsel aus der furchtbaren Varusschlacht«, versetzte er so verschmitzt, als wolle er einen Schwindel eingestehen. Doch dann fing er meinen Blick auf und besann sich. Nur mit Mühe konnte ich ein Schaudern unterdrücken.
»Wo haben Sie den her?«
»Ach, irgendwo aus den Wäldern …«, brummelte er ausweichend.
» Woher?« wiederholte ich.
»Ach … aus dem Norden halt.«
»Aus dem Teutoburger Wald vielleicht?«
Aber Dubnus war auf einmal sehr zugeknöpft. Ich hockte mich hin und musterte sein Sortiment mit erhöhter Aufmerksamkeit. Ihm,
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