Eisenhand
Hausierer reagierte mit der Miene eines Mannes, der die Stadt verlassen würde, wann immer es ihm paßte, und zwar, ohne mir zuvor Bescheid zu geben.
B UCH III
LEGIO XIV GEMINA MARTIA VICTRIX
MOGUNTIACUM,
OBERGERMANIEN
Oktober 71 n. Chr.
»… und allen voran die Vierzehnte, die sich durch die
Niederwerfung des Aufstandes in Britannien einen hervorragenden Ruf erworben hatte.«
Tacitus, Historien , II, 11.
XVI
Moguntiacum.
Eine Brücke. Eine Mautstelle. Eine Säule. Ein Gewirr von Zivilunterkünften, dazu eine Handvoll stattlicher Häuser, die den einheimischen Wein- und Wollhändlern gehörten. Und das alles im Schatten eines der größten Kastelle des Reiches.
Die Siedlung stand nahe der Stelle, wo Rhenus und Moenus zusammenflossen. Die Brücke, die das römische Rheinufer mit den Kais und Baracken auf der anderen Seite verband, hatte ein Holzgeländer und stand auf eckigen Pfeilern, die die Strömung bändigen sollten. Die Mautstelle war ein Provisorium, das bald von einem großen neuen Zollamt in Colonia Agrippinensis abgelöst werden sollte. (Vespasian war der Sohn eines Finanzbeamten; der Regierungsstil des Kaisers blieb davon nicht unbeeinflußt.) Die Säule, zu Zeiten Neros errichtet, war eine gigantische Huldigung an Jupiter. Die riesige Festung stand als Symbol dafür, daß Rom es ernst meinte mit seinem Engagement in Germanien. Ob wir jedoch die Stämme bluffen oder vielmehr uns selbst Mut machen wollten, das war noch nicht heraus.
Die erste Enttäuschung erwartete mich schon, kaum daß wir einen Fuß an Land gesetzt hatten. Ich hatte Xanthus gesagt, er könne an der Canabae seinen Barbierstand aufschlagen. Um die meisten Militäreinrichtungen wuchert ein ganzer Wald von Buden, in denen der Truppe nach Dienstschluß die üblichen handfesten Unterhaltungen geboten werden. Diese Slums schießen aus dem Boden, sobald außerhalb des Lagers die Bäder errichtet sind, die auch als Feuerschutz dienen. Bäckerläden, Bordelle, Barbiergeschäfte und Bijouterien ziehen dann rasch nach – mit oder ohne Lizenz. Als nächstes erscheinen die unvermeidlichen Marketender und die inoffiziellen Familien der Soldaten, und ehe man sich’s versieht, ist aus dem Budengewirr um die Festung eine veritable Zivilistensiedlung geworden.
In Moguntiacum gab es keine Marktstände.
Für Xanthus war das ein schwerer Schlag. Man sah noch, wo die Buden gestanden hatten. Offenbar war man rasch und gründlich zu Werke gegangen. Ein Haufen eingeschlagener Fensterläden und abgebrochener Markisenpfosten lagen noch vor den Wällen. Ansonsten war die Festung jetzt von einer weitläufigen, kahlen und übersichtlichen Berme umgeben, ein im Verteidigungsfall sehr günstiges Terrain, aus dem die Zitadelle stolze achtzehn Fuß aufragte, gekrönt von Wachtürmen und Wehrgang. Zu den mit bloßem Auge erkennbaren Verteidigungsanlagen gehörte ein punischer Graben mehr als üblich, und im Mittelfeld legte ein Arbeitskommando gerade einen sogenannten Liliengarten an: Tiefe Fallgruben werden im Quincunx-Schema ausgehoben, mit angespitzten Pflöcken bestückt und anschließend mit Reisig kaschiert – eine brutale Abschreckung für jeden Angreifer.
Die Zivilisten waren bis über den äußeren Graben hinaus abgedrängt worden, und obwohl der Aufstand des Civilis schon gut ein Jahr zurücklag, duldete man auf dem Hoheitsgebiet des Kastells keine Händler. Die Anlage wirkte kahl und abweisend. Und genau das sollte sie auch.
Innerhalb der Festungsmauern herrschte nicht wie sonst zu Friedenszeiten eine zwar straffgeordnete, aber trotzdem heitere Atmosphäre; die hier stationierten Truppen saßen vielmehr auf einem ziemlich hohen Roß, und mit der einheimischen Bevölkerung trieben sie nachgerade Schindluder.
Der Barbier und ich wurden, bis zum Beweis des Gegenteils, wie Einheimische behandelt. Als wir uns am Prätorianereingang meldeten, verschlug es sogar Xanthus die Sprache. Unsere Pferde mußten wir einem Stallknecht übergeben. Die Chance, uns bei einem gelangweilten Posten im Wachlokal beliebt zu machen, bekamen wir hier nicht. Man ließ uns nämlich nur bis in den zugigen Vorhof zwischen den Doppeltoren. Dort mußten wir warten, und es lag auf der Hand, daß wir, sollten unsere Geschichte und die Papiere nicht zusammenpassen, von überlangen Speerspitzen an die Wand gedrückt und einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen werden würden.
Der rüde Empfang versetzte mir einen Schock; unwillkürlich fühlte ich mich
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