Eisenhand
kühl und förmlich die Hand. Sie wäre die ideale Frau für einen hochgestellten Diplomaten gewesen, hätte das Schicksal ihr nicht einen zwar guten, aber doch nicht ganz ausreichenden Hintergrund mitgegeben. Wo Mänia Priscilla Geld und Arroganz besaß, mußte Julia sich mit Kultur und Kinderstube begnügen. Ihr fehlten die gesellschaftlichen Vorzüge, die sich in Rom auf berühmte Ahnen, aber auch auf jahrzehntelang gehortetes Barvermögen stützen. Sie hätte natürlich einen Zollbeamten heiraten und ungekrönte Königin irgendeiner Kleinstadt werden können, aber welche willensstarke, phantasievolle Frau mag sich schon auf das langweilige Mittelmaß biederer Wohlanständigkeit herunterstutzen lassen?
Wenn meine Schätzung stimmte und Gracilis Ende dreißig war, dann mußte Julia Fortunata deutlich älter sein. Justinus hatte mir erzählt, daß die beiden schon viele Jahre zusammen waren: Ihr Verhältnis hatte die erste Ehe des Legaten überdauert und würde, wie es aussah, auch der jetzigen standhalten. Julia Fortunata begleitete Gracilis an all seine Standorte. Wohin er auch im Reich oder Nordeuropa versetzt wurde – sie tauchte binnen kurzem dort auf, quartierte sich in der Nachbarschaft ein und verschaffte ihrem Gebieter das, was eine Mätresse üblicherweise bereithält. Ein Skandal war das Verhältnis inzwischen längst nicht mehr. Für Julia freilich war es sicher kein schönes Leben, besonders, wenn mein Eindruck stimmte und Florius Gracilis mehr Jammerlappen als Mann war. Aber ehrgeizige Frauen zahlen einen Preis für den Fuß im richtigen Steigbügel.
Sie war ziemlich groß und in dezente malvenfarbene Gewänder gekleidet. Keine ausgesprochene Schönheit. Ein kantiges Gesicht, ein Hals, der von reiferen Jahren zeugte, und Fesseln, die, als sie sich uns mit gekreuzten Beinen gegenübersetzte, schrecklich dürr unter dem Kleid hervorlugten. Aber sie hatte Stil. Mit anmutigen Bewegungen zupfte sie ihre Stola zurecht. Eleganz, Haltung im Umgang mit Männern – kurz gesagt, sie verkörperte jenes seltene Juwel: die unabhängige, reife Frau, die weiß, was sie will, selbstbewußt und mit Chic.
»Gnädige Frau, ich bin Didius Falco, und das ist Camillus Justinus, Erster Tribun der Ersten Adiutrix.« Da er in ihren Kreisen zu Hause war, wollte ich Justinus die Gesprächsführung lassen, aber er hielt sich lieber als stiller Beobachter im Hintergrund. Julia Fortunata blickte abwechselnd uns beide an: Justinus in seiner frisch geplätteten weißen Tunika mit dem breiten Purpurstreifen, stiller und ernsthafter als die meisten seines Ranges; ich laut Kalender zehn, der Erfahrung nach wohl hundert Jahre älter. Sie beschloß, mit mir zu verhandeln.
»Danke, daß Sie meine Einladung angenommen haben.« Ihre Stimme klang kultiviert und sicher. Sie paßte ausgezeichnet zu ihrer schlichten Kleidung und dem wenigen, aber exquisiten Schmuck – einem ausgefallenen ägyptischen Armreif und einem Paar übergroßer Ohrringe aus gehämmertem Gold. Sogar ihre Sandalen hatten einen aparten Schnitt. Sie war eine Frau, die selbst entschied, was sie trug, und die einen Hauch von Extravaganz liebte. »Wenn ich recht verstanden habe, führen Sie eine Art Untersuchung durch?«
Ich nickte, ohne das näher zu erklären. »Sie haben heute im Kastell nach mir gefragt? Ich war überrascht, als ich davon erfuhr.«
»Nun ja, es war dringend. Ich nehme doch an, daß Ihnen, wenn Ihre Nachforschungen meinen lieben Freund Florius Gracilis betreffen, jede Hilfe willkommen ist?«
Ich versuchte, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. »Mänia Priscilla denkt, er sei vielleicht bei Ihnen.«
»Kann Mänia Priscilla denken ?« Die Frage schoß heraus wie ein Schwall verschütteten Weins und ließ uns ordentlich zusammenfahren. »Leider muß ich Sie enttäuschen, hier ist er nicht.«
Ich lächelte. Ja, ich konnte mir gut vorstellen, was ihn an dieser Frau fesselte. In dem Haus wußte man, woran man war. »Kennen Sie beide sich schon lange?«
»Zehn Jahre.« So trocken, wie das klang, durfte man getrost mehr als eine Grußbekanntschaft vermuten.
Ich wollte es freilich genauer wissen. »Und wie ist Ihr Verhältnis zueinander?«
»Herzlich«, sagte sie mit Nachdruck.
Ich ließ es dabei bewenden. Erstens würde ich mit Grobheit nicht weiterkommen, und zweitens wußten ohnehin alle Bescheid. »Julia Fortunata, ich bin hier als Bote Vespasians. Mein Auftrag hat zwar nicht direkt mit Florius Gracilis zu tun, aber ich bin beauftragt, alle
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