Eisenhand
fliegen immer erst mal die Funken, wenn wir längere Zeit getrennt waren. Und besonders, wenn beim Wiedersehen Fremde zuschauen. Ich zögerte den Moment hinaus, in dem ich würde eingestehen müssen, daß sie mir gefehlt hatte. Und Helena – wer weiß? Wenigstens war jetzt, da sie mit mir gesprochen hatte, ein Funkeln in ihren Augen, gegen das ich überhaupt nichts einzuwenden hatte.
Ihr Bruder hatte Xanthus hereingebracht und dirigierte uns jetzt alle in einen Salon. Er hatte seinem Kollegen von der Vierzehnten nicht angeboten, ihn seiner hochwohlgeborenen Schwester vorzustellen, und so blieb uns zumindest der Greuel erspart, zusehen zu müssen, wie der Pfau Macrinus seine Räder schlug. Xanthus behielten wir in unserer Mitte, um ihn nach seiner Feuerprobe gebührend zu loben und zu hätscheln.
Wir wechselten hinüber ins Speisezimmer. Der Tisch war gedeckt, und man hatte offenbar schon vor einiger Zeit serviert. Inzwischen hatte ich mich wieder soweit gefangen, daß ich zu Förmlichkeiten aufgelegt war. Ich wäre also gern hergegangen und hätte Helena auf die Wange geküßt, aber sie ließ sich demonstrativ auf den Diwan ihres Bruders fallen. Wenn ich Justinus nicht kränken und mir seinen Stammplatz anmaßen wollte, so war sie jetzt unerreichbar für mich. Das machte mich wütend; wenn ich sie nun überhaupt nicht begrüßte, sah das so aus, als wäre sie mir egal.
Ich entschuldigte mich unter dem Vorwand, mich erst säubern zu müssen – zum Teil von Blut, vor allem aber vom Dreck. Als ich zurückkam, hatte ich die Vorspeise verpaßt (meinen Lieblingsgang), und Helena unterhielt die Gesellschaft mit unglaublichen Reiseabenteuern. Ich futterte still in mich hinein und versuchte, nicht hinzuhören. Als sie an die Stelle kam, wo das Rad von ihrer Kutsche absprang und der Anführer der Bergräuber sie gefangennahm, um Lösegeld zu erpressen, erhob ich mich gähnend und ging auf mein Zimmer.
Etwa eine Stunde später kam ich wieder zum Vorschein. Im Haus war es still geworden. Ich tastete mich durch seine Tiefen, bis ich Xanthus fand, der auf seinem Bett lag und Tagebuch schrieb. Auf unserer gemeinsamen Reise hatte ich sattsam mitbekommen, wie stinklangweilig seine Einträge waren.
»Na, den Bericht von heute, dem ›Tag, da ich den Soldaten erstach‹, werden noch deine Enkelkinder mit roten Ohren lesen, Xanthus! Und ich habe noch eine aufregende Neuigkeit für dich und dein Tagebuch: Heute abend wirst du mir einen tadellosen Haarschnitt nebst Naßrasur verpassen!«
»Wollen Sie noch ausgehen?«
»Nein, ganz im Gegenteil!«
Er hatte sich hochgerappelt und packte seine Gerätschaften aus. Die leibhaftige Goldgrube, die ich ihm bot, beeindruckte ihn allerdings nur mäßig. Der Wein zum Abendessen hatte ihn nicht nur beruhigt, sondern auch völlig albern werden lassen. »Hat Ihr Scharmützel mit dem Tod Sie bekehrt, Falco? Haben Sie den Göttern Ihre Bartstoppeln als Opfergabe in einem Alabasterkelch versprochen? Ich weiß nicht, ob es überhaupt so große Vasen gibt …« Ich ließ mir von ihm einen Platz anweisen und einen Umhang aus feinem Mako umlegen, seine Sticheleien überhörte ich. »Was steht dem Herrn zu Diensten – Enthaarungsmittel? Ich hätte da eine ausgezeichnete Creme aus weißen Trauben. Ich empfehle meinen Kunden ja nie dieses exzentrische Zeugs … denken Sie nur: Fledermausblut …« Langsam amüsierte er sich auf meine Kosten mehr, als ich zu ertragen bereit war.
»Eine einfache Rasur genügt.« Ich hoffte abergläubisch, daß er eine andere Klinge nehmen würde als die von vorhin.
»Sind Sie sich ganz sicher? Ich könnte auch eine Flächenbehandlung mit Bimsstein anbieten oder die behutsame Methode mittels Pinzette – Sie brauchen nur zu wählen. Meine Güte, Sie haben Ihr Äußeres aber wirklich vernachlässigt. So ein Urwald! Wahrscheinlich sollten wir den erst mal mit Pechharz abbrennen!« Ich glaube , dieser letzte Vorschlag war als Witz gemeint.
»Mach es so, daß es möglichst glatt wird. Und was die Haare angeht – schneide mir nicht alle Locken weg. Es reicht, wenn du die ärgsten Zotteln zurechtstutzt.« Xanthus drückte mir einen gravierten Kupferspiegel in die Hand und machte dabei ein Gesicht wie eine Amme, die ein quengeliges Kind mit einer Rassel ablenkt. Ich erklärte eifrig weiter meine Wünsche, obwohl ich wußte, daß Friseure einem nie zuhören. Aber als Privatermittler braucht man nun mal eine gewisse Sturheit.
»Beim Jupiter, Falco! Wem wollen Sie denn so
Weitere Kostenlose Bücher