Eisenhand
Bank, um den Saum meiner Tunika anzuknabbern. Doch da selbst an der Bank feuchtes Moos klebte, sprang er bald wieder hinunter und schnüffelte hinaus in die Dunkelheit. Dann trollte auch ich mich wieder in mein Zimmer.
Ich stand mit dem Rücken zur Tür und hatte eben die Tunika ausgezogen (eine saubere, zu schade, um darin zu schlafen), als jemand hereinkam.
»Der hübscheste Rücken eines nackten Waldgeistes, den ich je bewundern durfte!«
Helena.
Da ich heute schon einmal überfallen worden war, fuhr ich aufgeschreckt herum. Helenas warme, forschende Augen lächelten, als ich meine Handvoll Tunika keusch senkte. Ihr Lächeln wirkt immer wieder auf mich. Unwiderstehlich.
»Das ist ein Privatzimmer, mein Dame.«
»Gut so«, sagte sie. Ich spürte, daß ich rot wurde, setzte aber eine spöttische Miene auf. Sie spornte das nur an. »Hallo, Marcus.« Ich sagte nichts. »Ich dachte, du wolltest mich sehen?«
»Wie kommst du denn auf diese Idee?«
»Ach, in meinem Zimmer roch es auffallend stark nach Rasierwasser.« Sie zog die Nase kraus. Ich verfluchte Xanthus. Er hatte mich dermaßen mit Pomade eingedeckt, daß ein Bluthund mich leicht von der gallischen Straße bis rauf nach Cappadocia hätte verfolgen können.
Helena legte den Kopf schräg und beobachtete mich. Sie hatte sich so gegen die Tür gelehnt, als wolle sie mir den Fluchtweg versperren. Mein Lächeln gefror. »Wie geht es Titus?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Und was bringt eine vornehme junge Dame in diese Wildnis?«
»Ein gewisser Jemand, dem ich nachreise.« Helena verstand es großartig, selbst die unlogischste Handlung ihrerseits als eine ganz vernünftige Reaktion auf irgendeinen verrückten Affront von mir darzustellen.
»Du hast mich verlassen«, warf ich ihr vor.
»Und wie war’s in Veii?« In ihrer kultivierten Stimme schwang ein sarkastischer Ton mit, der mir den Mund austrocknete wie saure Trauben.
»Veii ist ein Kaff.« Auf einmal und ganz ohne Grund fühlte ich mich müde.
»Sind die Witwen attraktiv?« Wie ich es nicht anders erwartet hatte, bahnte sich da ein Streitgespräch an. Jetzt wußte ich, warum ich mich so geschlagen fühlte.
»Manche halten sich dafür.«
»Ich habe mit einer gesprochen«, sagte Helena spitz. »Sie ließ durchblicken, daß deine Reise nach Veii ein Wahnsinnserfolg gewesen sei.«
»Diese Witwe lügt.«
Helena sah mich an. Sie und ich, wir waren aus gutem Grund Freunde: Wir kannten einander gut genug, um uns mordsmäßig in die Wolle zu kriegen, wußten aber auch beide, im rechten Augenblick um Waffenstillstand zu bitten. »Das habe ich mir auch gesagt«, antwortete sie leise. »Aber warum, Marcus?«
»Aus Eifersucht. Weil ich ihr einen Korb gegeben habe und heim zu dir gefahren bin. Was hast du denn in Veii gemacht?«
»Dich gesucht, was sonst?«
Und damit hatten wir den Streit begraben. »Jetzt hast du mich ja gefunden«, sagte ich.
Helena Justina kam quer durchs Zimmer auf mich zu. Ihr Gesicht spiegelte eine Zielstrebigkeit, für die ich noch nicht bereit war. Aber das würde schon noch kommen. »Was hast du vor, Helena?«
»Nichts, was dir nicht gefallen wird …« Sie nahm mir die Tunika aus der Hand.
Um meinen Stolz zu wahren, sperrte ich mich noch ein wenig. »Ich warne dich, ich mag keine emanzipierten Frauen.«
»Falsch! Dir gefällt eine Frau, die so aussieht, als wüßte sie genau, was du denkst, und der das nichts ausmacht …«
Trotzdem hatte ich sie verunsichert. Sie trat einen Schritt zurück. Ich folgte ihr. Ich spürte ihre Körperwärme, noch bevor ihre bloßen Arme sich um mich schlangen. Offenbar hatte sie das wollene Kleid, in dem ich sie unten gesehen hatte, gegen etwas Leichteres vertauscht. Wenn ich die Achselspangen öffnete, würde der dünne Stoff zu Boden gleiten, und ich hätte sie ganz und gar unverhüllt in meinen Armen. Leichtes Spiel. Die Spangen sahen aus, als hätten sie einen einfachen Klappverschluß. Ich legte die Hände auf ihre Schultern, als wisse ich nicht recht, ob ich sie auf Abstand oder fester halten sollte. Meine Daumen fanden die Spangen ganz von allein.
Helena wollte sich losmachen, aber es war mir ein Leichtes, uns zum Bett zu steuern. »Sei doch nicht so nervös, meine Schöne!«
»Ich bin nicht so leicht zu erschrecken.«
»Könnte ein Fehler sein …«
»Nun hör schon auf, den Macho zu spielen!« Helena wußte fast alles von mir, und was sie nicht wußte, das reimte sie sich zusammen. »Du bist gar nicht so. Du kannst sehr
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