EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
dringendst gebraucht zu werden.
Genau wie Tags zuvor fand Forester Eisenheim an seinem Schreibtisch sitzen. Bei einer Tasse Kaffee brütete er über seinen Unterlagen. Forester trat an Eisenheim heran. Er vermisste das Foto, das gestern noch auf dem Schreibtisch gelegen hatte.
„Und wie lief Ihr Treffen mit den Clines?“, fragte Eisenheim sogleich.
Forester erzählte ihm detailgetreu seine Unterhaltung, in der Eisenheim – hätte er ein Protokoll
darüber vor sich gehabt – nichts Auffälliges hätte finden können. Forester hatte auch den Clines gegenüber das Detail der Kleidung unter Verschluss gehalten. Er fragte Eisenheim schließlich nach den Protokollen, der wiederum ganz in der Rolle des skeptischen Detectives Forester fragte, was er darin zu finden hoffte.
Forester tat diese Frage Eisenheims als misstrauisch ab. Und zwar in der Art, dass er nicht viel mehr da drinnen finden würde. Forester wiegte ihn in Sicherheit. Er brauchte die Protokolle, damit der Fall plastischer für ihn würde, denn er hatte auch vor, gleich danach in den Franklin Park zu fahren, um sich die Entführung noch einmal vor Ort durch den Kopf gehen zu lassen. Eisenheim schenkte Forester einen skeptischen Blick, nickte dann aber zustimmend. Er griff in seine Schublade und zog einen Abhefter raus. Dann stand er auf.
„Sie haben zehn Minuten!“, sagte er und deutete mit seinem Daumen hinter sich zum Glaskasten.
Forester war dies bisher gar nicht aufgefallen. In dem gläsernen Besprechungsraum befanden sich zwei ihm unbekannte Polizeibeamte in dunkelgrauen Anzügen und Captain McGuire.
Die Stimmung in dem Raum war angespannt; alles deutete auf eine offizielle Anhörung.
Am Gesichtsausdruck Eisenheims, der sich nun erhob, konnte er ablesen, dass es sich entweder um ein Verhör bezüglich Kingfields Tod handeln musste oder aber um ein anderes internes, jedoch gravierendes Anliegen.
An dem Punkt, an dem Detective Eisenheim mit seinem Captain gegenüber von den zwei Beamten
Platz nahm, beendete Forester seine Beobachtung und lenkte seine Aufmerksamkeit ausschließlich
auf die Akte, die ihm Eisenheim gegeben hatte.
Forester fand darin schnell zu den Protokollen aller Zeugenaussagen und las sie aufmerksam durch. Wie zu erwarten, entsprach das Schriftliche dem Mündlichen Rebecca Clines. Ebenso deckten sich die Zeugenaussagen der anderen drei Augenzeugen. Sie alle beschrieben den Entführer als einen Riesen oder Hünen. Der gut zwei Meter große Mann trug auch diesen Beschreibungen nach eine beigefarbene Hose. Forester blätterte weiter zu Jones und Edwards Protokollen. Diese beiden Männer waren die Einzigen, die an diesem Tag das Verbrechen aus einer Entfernung von zirka einhundert Metern beobachtet hatten. Als Forester diese Protokolle durchlas, zeigte er sich stark verwundert. Diese schriftlich abgehefteten Aussagen deckten sich zwar mit allen anderen Zeugenaussagen, aber nicht mit dem, was von Edwin Jones im Detail beobachtet wurde. Wie konnte das sein? War es möglich, dass die vernehmenden Beamten, Eisenheim und Kingfield, Jones wegen seiner sexuellen Neigung kaum Glauben schenken wollten und ihn deswegen übergangen haben?
Forester würde das nicht wundern. Die Vereinigten Staaten gaben zwar vor, ein liberales und weltoffenes Land zu sein, doch wusste Forester aus eigener Erfahrung, dass ein schwarzer Bürger wie er in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten – und das zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts – nicht selten genug nur wegen seiner Hautfarbe in Situationen geriet, die eigentlich nur noch in Geschichtsbüchern zu finden sein sollten. Der Schlagring in seiner Manteltasche konnte weitere Geschichten davon erzählen. Geschichten von Kleingeistern, denen er eine Abreibung verpassen durfte.
Erst vor Kurzem hatte ein schwules Paar für Schlagzeilen in Boston gesorgt. Man hatte diesen beiden Männern, die eine blütenweißes Leben führten, beide eine Festanstellung hatten, an Wochenenden sogar für ihre Gemeinde ehrenamtlich tätig waren, zunächst offiziell mit der Pflege zweier Kleinkinder – einem Dreieinhalbjährigen sowie einem bald Zweijährigen – übertragen. Diese beiden Kinder waren dem schwulen Paar aber nach zwei Wochen wieder entzogen worden, nachdem eine Zeitung herausgefunden hatte, dass die Sozialstation von Massachusetts die Verantwortung für Kinder an ein schwules Paar übertragen hatte. Nach dieser Veröffentlichung hatte sich die Sozialstation von dem schwulen Paar distanziert und
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