EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
Es gab einen kleinen Vorraum mit einer Kommode, dahinter befand sich gleich das Wohnzimmer mit einem einzelnen Sessel sowie einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Dahinter ging es zum Schlafzimmer und zum Bad. Die kleine Küche befand sich direkt neben dem Wohnzimmer hinter einem afrikanischen Holzvorhang. Die Wohnung stand zum größten Teil leer. Es gab keine Regale und keine Andenken, wie zum Beispiel Fotos oder Kleinigkeiten, die üblicherweise in Wohnungen zu finden waren, um an bestimmte Ereignisse oder Reisen erinnert zu werden. Diese Wohnung sah aus wie eine Übergangslösung. Eisenheim kannte das. Er wohnte seit drei Jahren in solch einer Übergangslösung.
Eisenheim stellte sich Kingfield vor, der wie ein Nomade von Wohnung zu Wohnung gezogen war, und nie im Traum daran gedacht hatte, die Umzugskisten mit all diesen Kleinigkeiten und Erinnerungsstücken – die eine Wohnung erst wohnlicher erscheinen ließen – auszupacken.
Drei Jahre, dachte Eisenheim angeschlagen. Ihm war bewusst, dass dies zeitgleich wohl auch der Zeitpunkt gewesen war, an dem er die Kontrolle über sein Leben verloren hatte. Aufmerksam schritt er durch die Wohnung, während er weiterhin ein Taschentuch auf seine blutende Nase presste.
Auf dem kleinen Tisch lagen verschiedene Bücher: Kochbücher, Literatur über China sowie zwei Bücher von Stephen King. Eisenheim fiel auf, dass in Kingfields Schlafzimmer dieselbe Kommode wie im Eingangsbereich stand. Seine Hemden und Anzüge hatte Kingfield auf zwei fahrbaren Kleiderständern untergebracht. Er glaubte nicht, dass diese wenigen Möbelstücke Kingfield gehörten, sondern, dass er diese Wohnung möbliert angemietet hatte. Eisenheim schickte
aufmerksame Blicke durch die leere Wohnung. Wonach sollte er bloß suchen, fragte er sich.
Eisenheim vernahm das Setzgeräusch alter Dielen vor der Wohnungstür. Er wartete, lauschte und hatte das Gefühl, dass sich jemand direkt vor der Tür aufhielt. Langsam schritt er vom Schlafzimmer durch die Wohnung, darauf bedacht, so leise wie möglich zu sein. An der Tür angekommen, stopfte er sein blutiges Taschentuch in seine Jackentasche. Dann öffnete er die Tür, machte wenige Schritte nach vorne in die Dunkelheit und sah in das Dunkel des Treppenhauses hinein. Es dauerte einige Sekunden, bis sich sein Augenlicht an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Schemenhaft erkannte er nur das alte hölzerne Treppenhaus, durch das er selber Minuten zuvor hinaufgeschritten war. Das schwache staubige Oberlicht spendete kaum Licht. Er erkannte nichts; im Treppenhaus roch es wie in einer alten Kommode.
Es war niemand da, er hatte sich getäuscht. Dennoch, seine Hand war unter sein Ledersakko geglitten. Er sicherte die Beretta und stieß sie wieder zurück in den Lederholster. Dann bemerkte er seine Anspannung. Sie rührte von seinem noch morgendlichen Alkoholrausch und der Prise Koks her, die er sich auf dem Weg ins Department reingezogen hatte. Körperlich fühlte er sich, als sei er gerannt. Schweiß rann ihm von der Stirn. Er griff wieder in seine Jackentasche, zog sein blutiges Taschentuch hervor und tupfte sich die letzten Bluttropfen von der Nase. Es ging weiter bergab, dachte Eisenheim. Er schritt zurück in die Wohnung und schlug lautstark die Tür hinter sich zu. Dann betrat er das Wohnzimmer und erschrak leise. Derek Forester saß an dem kleinen Tisch.
„Gute Reflexe, nur leider ein sehr schlechter Geruchssinn!“, sagte Forester.
Eisenheim machte einen Schritt voran, erstarrte aber zugleich wieder. Neben Forester stand – wie er nun erkannte – das gerahmte Foto von Kathy und ihm auf dem Tisch. Für einen Augenblick überkam Eisenheim eine Fassungslosigkeit, in der es ihm unmöglich erschien, dass Forester dieses Foto mitgebracht haben konnte. Er sah sich tatsächlich jeder anderen Möglichkeit, wie das Foto hierhergekommen sein mochte, mit ermittlerischer Neugier gegenüber. Jeder, nur nicht der, dass der Privatschnüffler es aus seinem Schreibtisch entwendet haben konnte. Wann auch? Und warum auch? Was war der Grund?
Mit kaltem Entsetzen wurde Eisenheim von der Realität eingeholt.
„Wo haben Sie das her?“, fragte er mit bebender Stimme. Er kannte die Antwort und verspürte wieder diese Wut. Sie wollte nun aus ihm raus. Zu lange hatte er sich im Griff gehabt. Das war jetzt vorbei. Ich bin nicht im Department , schoss ihm durch den Kopf. Gleichzeitig hörte er sich die Frage stellen: „Was schnüffelst du Nigger in meinem Leben herum?“
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