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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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mal leichenfrei, eine Opa-Wanderung auf das Hörnle zu vollenden.
    Das Einzimmer-Appartement des Fotografen lag in einem schweinderlrosafarbenen Bau und war quasi unbewohnt. In einem futuristisch anmutenden Kleiderschrank aus Edelstahl und Glas gab es jede Menge edlen Zwirn, im Bad eine Armada von Herrendüften, Duschgels und Bodylotions, die alle ordentlich in ihren hübschen Pappschachteln aufgereiht waren, was Baier mit »widerlich« kommentierte. Eine Küche existierte gar nicht, nur eine Vitrine mit einigen Rosenthal-Tellern und teuren Riedel-Gläsern! Das Chrom-Bett war nicht mal bezogen, anscheinend pflegte Lepaysan im Atelier oder bei seinen Hasis zu nächtigen. Hier gab es keine Ecken und Winkel, Bilder zu verstecken.
    »Weinzirl, gehen Sie doch mal zu den Nachbarn vom Campingplatz, ich befrage mal ein paar andere Leute im Haus, ob jemand was gehört hat, und setz mich dann zur Fischerrosl. Müssen ja nicht zu zweit da auftauchen. Mir ist’s gerade nicht so ganz …«
    Normalerweise hätte Gerhard jetzt einen Spruch über die Faulheit der älteren Kollegen abgelassen, aber Baier gefiel ihm wirklich nicht. Er war sehr fahl im Gesicht und bewegte sich, als würde ihm das große Mühe bereiten.
    »Schon gut«, sagte Gerhard und spürte einen Stich. War Baier ernsthaft krank? Er kannte den Mann noch gar nicht lange, aber jäh und ohne Vorwarnung fühlte er, wie sehr er ihn vermissen würde. Gerhard ging zum See hinunter, wo eine Frau in einem Kiosk werkelte. Gerhard stellte sich vor und fragte nach Lutz Lepaysan.
    »Lutz Lepaysan! Dass ich nicht lache!«, rief sie entrüstet.
    »Na ja, so komisch ist das nun auch wieder nicht, der Mann ist tot.«
    Sie gab sich minder beeindruckt. »Tot? Von einer seiner Gespielinnen vergiftet?«
    »Er wurde mit einem Stativ erschlagen«, sagte Gerhard.
    »Ach! Na dann war es keine der Gespielinnen. Das waren alles magersüchtige Hungerhaken, all beseelt vom Willen, Heidi Klums nächstes Topmodel zu werden und in die Fußstapfen all jener zu treten, die bei einem Meter achtzig Größe ein Elefantengewicht von fünfzig Kilo mit sich herumschleppen.«
    Die Frau, die etwa in Gerhards Alter war, war ja von kernigem Gemüt, dachte er amüsiert.
    »Und Lepaysan hat diesen Mädels versprochen, er bringt sie groß raus? Wie in den schlechten C-Movies? So richtig alle Klischees aufeinander gepackt?«
    Sie schaute ihn lange an und wurde nun ernst. »Sie sind sicher kein Depp. Dann wissen Sie, dass die Realität schlimmer ist als jedes Klischee. Es gibt doch immer und überall Mädels, die solche Versprechungen glauben. Vor allem in einer Welt, die Superstars am Fließband züchtet. Die Tochter einer Freundin von mir, ein paar Dörfer weiter den See rauf, war bei so einem Superstar-Quatsch dabei, und es hat meine Freundin Wochen gekostet, sie über die Zurückweisungen und den Spott hinwegzutrösten. Ein Leben ohne Kameras ist fast schon unwert. Ohne es irgendwie mal ins Fernsehen zu schaffen, bist du heute ein Molch, eine Kellerassel. Ludwig hat damit gespielt, der Sack.«
    »Ludwig?« Gerhard war irritiert. Hieß der nicht Lutz?
    »Der Mann war mit mir in der Schule. Als Ludwig Bauer.«
    Gerhard stutzte.
    »Ja, er hat sich französisiert. Sich selbst geadelt. Le Paysan, der Bauer. Aus Ludwig wurde Lutz. So einfach ist das mit den Künstlernamen.«
    »Und Sie mochten weder Ludwig Bauer noch Lutz Lepaysan?«, fragte Gerhard lächelnd.
    »Sie erahnen meine verstecktesten Gedanken. Das ist doch wohl offensichtlich. Er war damals schon ein Kotzbrocken! Er hat versucht, eine unserer Katzen zu ertränken. Hat sie immer wieder mit dem Stock ins Wasser geschoben. Dazu wie irre gelacht. Ein Sadist, schon als Kind. Das hab ich nie vergessen. Ich hab vieles vergessen, was müde macht und zermürbt. Aber das – komisch eigentlich –, das nie!«
    Gerhard sagte nichts.
    »Sie wollen wissen, wie es weitergeht? Er hat, glaub ich, tatsächlich in Frankreich studiert. Hat bei der SZ in Starnberg als Fotograf begonnen. Er war der, der bei Verkehrsunfällen das Tuch weggezogen und draufgehalten hat. Der in den Notarztwagen zu den Schwerverletzten ist und wild rumgeblitzt hat. Es gab wohl mal eine Szene, bei der der Notarzt ihm die Kameratasche ins Gesicht geschlagen hat. Schon wieder ein C-Movie-Klischee, werden Sie sagen.«
    Gerhard schwieg immer noch, also fuhr sie fort: »Er hat dann umgeschwenkt auf Modeaufnahmen. Er hat aus seinem Elternhaus sein Atelier Pain et Jeux gemacht.«
    »Was für ein Ding?

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