Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
dem Moment kam auch schon ein Streifenwagen vorgefahren, dem zwei Polizisten entstiegen. Ein junger schlanker und ein älterer mit einem unglaublich vorgewölbten Medizinballbauch. Sie gingen direkt auf den Notarzt zu. Der Junge führte das Wort, stellte sich als Fabian Bachmaier und den Kollegen als Sepp Socher aus Landsberg vor.
»Sie haben uns informiert, dass hier eine Hieb- oder Stichverletzung vorliegt. Was können Sie dazu sagen?«
Er war bemüht, sehr hochdeutsch zu reden, und versuchte, wahnsinnig gefährlich und kompetent zu wirken. Jo schickte einen Blick zum Kollegen Socher hinüber, der gerade hingebungsvoll in der Nase bohrte.
»Eine Lanze hat ihn im Training getroffen. Ist in den Bauchraum eingedrungen. Großer Blutverlust. Ob innere Verletzungen vorliegen, sollen die im Klinikum feststellen. Sonst ist noch alles dran«, gab der Notarzt knapp und lakonisch Auskunft.
»Besteht Lebensgefahr?«, fragte der Jungdynamiker.
»Denke nicht.« Der Notarzt warf dem Polizisten eine Karte hin. »Rufen Sie an, falls Sie Fragen haben. Ich hab einen Einsatz.«
Marco hatte einen Schritt auf die Männer zugemacht und erläuterte, dass sie sich im Training befunden hatten und wohl durch ein Versehen eine echte gegen eine Trainingslanze vertauscht worden war.
»Gibt es überhaupt echte Lanzen?«, fragte Bachmaier. Jo sah ihn überrascht an. Gar nicht so dumm, dieser Jungdynamiker. Natürlich gab es keine! Warum auch, das wäre ja lebensgefährlich.
»Naturellement!« Marco riss die Augen auf und spann eine Geschichte über echte und falsche Lanzen, darüber, wann sie zum Einsatz kämen, und schloss: »Da muss jemand beim Aufräumen nicht aufgepasst haben. Das sag ich den Jungs immer. Und nun dieser bedauerliche Unfall.«
Jos Magen hatte sich zusammengekrampft. Das war Marco Cœur de Fer, der Impressario, der Geschichtenerzähler, der Hexer, der Menschen mit seinen Inszenierungen in seinen Bann zog. Er log, aber bei ihm war das keine Lüge, bei ihm war es ein anderer Blick auf die Wirklichkeit.
Socher hatte inzwischen den Finger aus der Nase genommen, betrachtet den Popel, bis er ihn zu Boden schnippte, und sagte zu seinem Kollegen: »Sollten wir das nicht lieber nach Fürstenfeldbruck geben? Zur Sicherheit!«
Der Jungdynamiker blähte sich vor ihm auf. »Das ist ein Betriebsunfall, ein Arbeitsunfall. Tod ist K, wenn er lebt, ist es S. Der Ritter lebt, also sind wir zuständig. Aufgabenkatalog, Kollege! Das muss ich dir ja wohl nach so langer Dienstzeit nicht erklären. Paragraph 226, auch wenn er schwer verletzt ist, sind wir zuständig.«
»Wenn nix bleibt«, knurrte Socher, »keine bleibenden Schäden.«
»Dann können wir FFB immer noch einschalten. Komm, Sepp, du magst den Weixler-Senftleben doch auch nicht. Wenn einer schon ‘nen Doppelnamen hat. Seine Alte hätte auch seinen Namen annehmen können.«
Socher zuckte mit den Schultern. »Bitte, aber wir hätten’s vom Hals gehabt.« Er begann, im anderen Nasenloch zu bohren.
Jo hatte das Gespräch mit Interesse verfolgt. Da wollte also der junge aufstrebende Kollege mal endlich einen spannenden Fall behalten und der alt gediente Kollege ihn loshaben, nach Fürstenfeldbruck, wahrscheinlich saß da die Mordkommission. Auch Marco war die Unterhaltung nicht entgangen.
»Meine Jungs sind zäh. So was wirkt meist gefährlicher, als es ist. Ein Betriebsunfall, mehr nicht. Bei uns sehen Betriebsunfälle eben so aus.«
Er lachte jovial, Jo hätte ihn erwürgen mögen.
»Bei Ihnen, Herr Kommissar Bachmaier, ist der Fall doch sicher in guten Händen?«
Auch er reichte ihm eine Karte. »Rufen Sie jederzeit an und kommen Sie doch mal zum Turnier. Ich lade Sie ein.«
Marco, ganz der souveräne Charmeur, der Menschen so leicht manipulieren konnte. Als die beiden Polizisten abgezogen waren, veränderte sich Marcos Gesichtsausdruck. Er wandte sich an Jo. »Gut. Ich möchte, dass so wenig Leute wie möglich hier auf dem Gelände etwas davon erfahren. Wir gehen jetzt essen. Nächstes Training morgen. Alles wie immer.«
Und ohne weitere Erklärungen ging er davon.
Jo ging langsam hinterher, voller Wut und Unverständnis. Wie konnte Marco so eiskalt sein? Alles dem Vermeiden von negativer Publicity unterordnen? Sie war sich völlig sicher: Das war ein Anschlag gewesen, ein ganz heimtückischer. Und was, wenn weitere folgen würden?
Als sie in ihrem Büro angekommen war, hatte sie die Nase so was von voll. Sie beschloss zu flüchten.
»Steffi, kommst du heute den
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