Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
etwas auf die Seite schaffen könnte. Also Auszug. So einfach ist das. Und so schwarz.«
»Wann musst du denn raus?« Gerhard war betroffen. So lange hatten sie sich nicht mehr gesehen? So wenig wusste er über eine Frau, die von bester Freundin bis Geliebte so ziemlich alles gewesen war. War?
»Genau genommen bin ich schon draußen. Die Sachen stehen bei Gschwendtners, die Pferde stehen da auch noch, und die gute Resi Gschwendtner versorgt sie. Ich hüte als Heimatlose ein verlassenes Haus in Egling an der Paar. Schwarz!«
»Ja, aber du findest doch wieder etwas Neues. Du kennst Hinz und Kunz im Allgäu. Man mag dich da. Man betet dich an.« Gerhard merkte selbst, dass das blöd klang.
»Wer ist man? Man, meine so genannten Freunde? Wer?!« Jos Stimme wurde schrill.
»Jo, das ist jetzt aber schon sehr negativ, oder? Was heißt da so genannte Freunde. Ich bin dein Freund.«
»Ja, wirklich? Was für ein Freund bist du, der du vor einem halben Jahr hocherhobenen Kopfes davongetrabt oder besser galoppiert bist. Einfach so, in ein neues Leben, das dir gut zu tun scheint. Die Welt scheint dein Freund zu sein, meiner nicht! Mein Leben ist ein einziges großes Fragezeichen.«
»Du hast zu hohe Ansprüche an dich. Das ist dein Problem!«, rief Gerhard.
»Tja, du fragst dich natürlich nie, wie du weiterleben willst? Kannst du mal beschreiben, was du dir die nächsten Jahre wünschst? Oder bloß für eine sehr nahe Zukunft? Hast du jemals überlegt, was du tun kannst, dass der ganz normale Wahnsinn zumindest kurz vor deiner Tür keine Chance mehr hat?«
Hatte er so was mal überlegt? Stellte er sich solchen Lebensfragen? Nein, er lebte eben. Tag für Tag. Jo, Jo-die-mit-dem-verzwirbelten-Seelenleben, sie dachte wahrscheinlich viel zu viel nach. Alle Frauen dachten viel zu viel nach!
»Wahrscheinlich bin ich unsensibel. Aber trotzdem solltest du nicht so schwarz sehen. Du hast doch schon wieder einen tollen Job, um den dich viele beneiden. Du bist sicher wie immer wieder ganz großartig.«
Auch das klang nicht wirklich überzeugend, fand Gerhard. Er war einfach ein Versager im Frauen-Trösten, im Frauen-Verstehen.
»Ja, großartig, was meine Schauspielkunst betrifft. Großartig, es allen recht zu machen. Aber ich kann doch keinen Mordanschlag vertuschen! Das geht einfach nicht!«
»Nein, das geht nicht.«
Wenn es denn einer war, dachte Gerhard. Er schüttete sein Bier quasi hinunter und stand brüsk auf.
»Wo ist dieser Marco? Dann fragen wir ihn doch mal.«
Sie gingen an einer riesigen grauen Burg vorbei, alles Fake aus Zeltplanen und Pappmaché, und gelangten hinter eine Absperrung aus Maschendraht. Sie stapften über aufgeweichten Boden, einmal hätte so ein Matschloch fast Gerhards Turnschuh als Tribut gefordert. Mit der Ferse war er schon draußen. Er hüpfte auf einem Fuß, um den Schuh wieder anzuziehen. Als er hochsah, stand ein kleiner drahtiger Mann vor ihm. Schwarze enge Hosen, ein schwarzes Wams. Jo stellte die beiden einander vor.
»Ich lass euch kurz allein.« Sie drehte sich um und ging davon.
»Wie konnte das passieren?« Gerhard sparte sich Vorreden. Der Typ wirkte, als könnte man mit ihm Klartext reden.
Marco Cœur de Fer war ein Energiebündel, das konnte man sehen, aber um seinen Mund und seine Augen lag Müdigkeit und Abgespanntheit. Er schüttelte nur den Kopf.
»Wer konnte die Lanzen austauschen?«, fragte Gerhard.
»Jeder.«
»Jeder?«
»Sehen Sie, die Lanzen liegen in einem Container. Der ist nicht abgesperrt. Jeder kann dahin.« Marco zuckte mit den Schultern.
»Und einfach eine echte einschmuggeln?«
»Ja, leider.«
»Liegen sie immer dort?« Gerhard fand das sehr unvorsichtig. Dachten diese Künstler denn nie nach? Immer lässig?
»Im Prinzip erst seit Dienstag. Wir haben neue bekommen, die wir dann in den Container gebracht haben«, sagte Marco.
»Wo kommen die Lanzen denn her?«, fragte Gerhard.
»Wir haben einen Hersteller aus Tschechien. Der präpariert sie für unsere Bedürfnisse, sodass sie abbrechen.«
»Dass ich Sie richtig verstehe: Seit Dienstag hätte jemand beziehungsweise jeder die Lanzen vertauschen können?« Gerhard wollte sich versichern. Denn das war ja der Horror. Das machte die Suche ja fast hoffnungslos. Auf was hatte er sich da bloß eingelassen?
»Ja.«
»Und beim Dienstagstraining ist nichts passiert?«
»Wir hatten eine Pressekonferenz. Wir haben nur zu Showzwecken einiges vorgeführt. Und danach haben nur vier Ritter trainiert. Aber wenn
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