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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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unter der Geranienpracht schier zusammenbrachen, gab es hier nur noch vereinzelte Schalen auf abgewetzten Terrassen. Er war hier schon länger nicht mehr entlanggefahren und war verblüfft über die neuen Industrieansiedlungen hinter Lengenfeld. In Schwifting stand ein Geisterhaus mitten auf einer Wiese. Allein, verrammelt, alle Tristesse der Eternitplatte. Gerhard fühlte sich unwohl, er hatte das Gefühl, schlechter atmen zu können, so wie an jenen Sommertagen, an denen einem die Hitze wie eine Wand entgegenschlug. Sein Magen krampfte sich zusammen. Und das konnten schon lange nicht mehr die Voltaren-Tabletten sein. Schwifting, Penzing, Schwabhausen – das Turnier warf seine Schatten voraus. Ein kleiner Laden verkaufte Kinderschwerter, Schilder wiesen Richtung Ritterturnier. Er rief Jo an und berichtete ihr, dass er gleich da sein würde.

Kaltenberg
    In Kaltenberg waren schier endlose Wiesen schon zu Parkplätzen umfunktioniert. Himmel, wie viele Autos wurden denn erwartet? Wie viele Menschen, die von den Blechbüchsen ausgespien wurden?
    Auf einmal wurde sich Gerhard der Dimension dieses Turniers bewusst. Er stellte sich auf die Wiese und schlenderte zum Tor. Da stand sie: in einem hellroten Samtkleid mit Trompetenärmeln, den tiefen Ausschnitt eingefasst mit Goldbordüren. Ihre Haare waren zu Zöpfen geflochten, sie sah jung aus, trotz der Augenringe, und irgendwie verletzlich. Machte das das Kleid? Sie trat einen Schritt vor, er war schon versucht, ihr die Hand zu geben. Dann aber drückte er ihr je einen flüchtigen Kuss auf beide Wangen.
    »Hallo, Jo. Wo brennt’s im Mittelalter?«, fragte er in einer betont flapsigen Weise.
    »Überall. Danke, dass du gekommen bist.«
    Jo hatte danke gesagt!
    Gerhard war Jo zum Biergarten gefolgt, wo man unter einem Schirm sitzen konnte, der diesen Sommer mehr als Regen- denn als Sonnenschirm gedient hatte. Sie erzählte ihm nochmals vom verletzten Ritter und davon, dass Marco Cœur de Fer das Ganze als Betriebsunfall herunterspielen wollte.
    »Und das könnte nicht tatsächlich so sein?«, fragte Gerhard.
    »Nein! Die haben keine echten Lanzen. Die hat einer eingeschmuggelt. Das war ein Mordversuch!«
    Aha! Da war sie wieder, die Jo, die er kannte. Die voranpreschte für die Gerechtigkeit, immer erst sprach und dann nachdachte.
    »Gut, lassen wir das mal so stehen. Ich denke, du hast ein gutes Gespür für Situationen. Ich werde hier mal ein paar Leute befragen, aber erzähl du mir erst mal, wie du hierher gekommen bist.«
    »Mit dem Auto!«
    »Komm, Jo, bitte ernsthaft und ohne Zynismus. Wieso arbeitest du in Kaltenberg?«
    »Weil ich mich beworben habe.«
    Sie wollte offenbar nicht auf sein Angebot eingehen. Sie ignorierte seine weiße Fahne und den Vorschlag eines Neutralitätsabkommens. Er bestellte sich ein König-Ludwig-Dunkel, nahm einen tiefen Zug und sah Jo in die Augen.
    Plötzlich brach es aus ihr hervor: »Die Tage sind so laut hier. Ich habe mit so vielen neuen Menschen zu tun. Neue Probleme, neue Kritik, neuer Zuspruch und immer wieder so ungeheuer laut und schnell. Und am Ende des Tages wird es still. Sogar die Blätter an den Bäumen sind erstarrt. Es ist so schwer, irgendwie runterzukommen. In meiner Seele toben noch tausend ungeordnete Emotionen. Ich fahre nach Egling, ich schließe ein fremdes Haus auf, die Tür knarzt. Ich sitze an einem fremden Küchentisch. Die Leere ist grenzenlos.«
    Gerhard kannte das. Er hätte es nie so formulieren können. Aber er kannte das Gefühl. Nach einer anstrengenden Ermittlungsarbeit, nach all den Lügen und Teilgeständnissen, nach der Wut und Verzweiflung der Menschen wurde es immer so still. Eine Stille, die wehtat. O ja, er kannte das nur zu gut. Und er kannte Jo und wusste, dass er sie reden lassen musste. Also schwieg er.
    »Das Leben hat keinen Sinn für Übergänge. Es weigert sich, sanft hinüberzugleiten von einem Zustand in den nächsten. Es kennt nur Schwarz oder Weiß.«
    »Ich weiß nicht, ob das stimmt. Du kennst nur Schwarz und Weiß«, sagte Gerhard vorsichtig.
    »Ach, Gerhard, ich hätte gerne ein Auge für Grau. Eine edle, kleidsame Farbe. Du willst wissen, warum ich hier bin? Wusstest du, dass mir mein Haus in Göhlenbühl gekündigt wurde? Nein, nein, das wusstest du nicht. Woher auch! Ich habe alles versucht, Aufschub, keine Chance. Das ist schwarz. Ich habe versucht, es zu kaufen. Aber weißt du was? Ich habe kein Geld für so was. Ich erbe nichts, und ich werde nie so viel verdienen, dass ich

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