Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
schnellen energischen Schritten, bis er stoppte. Jo war ihnen entgegengekommen. Sie und Marco Cœur de Fer wechselten ein paar Worte, dann küsste er sie schnell und flüchtig auf die Wangen. Dreimal. Französisch. Très charmant!
Wenig später saßen Gerhard und Jo wieder im Biergarten unter einem großen Schirm. Jo war auf den Stuhl gesunken. Sie hatte ihre Augenringe mühsam überschminkt. Auf ihrer Stirn stand eine tiefe Sorgenfalte. Auch die kleinen Fältchen um den Mund ließen sich nicht wegmogeln. Gerhard registrierte das, nicht dass es ihn gestört hätte, Jo war immer apart.
»Es wäre hilfreich gewesen, mir zu sagen, dass die Ritter zusammengeschlagen wurden, vergiftet, dass Pferde abhanden gekommen sind!«, sagte er unfreundlich.
»Das hätte ich jetzt getan. Gestern am Telefon ging alles so schnell.« Sie machte eine Pause und stürzte den Kaffee fast auf ex hinunter. »Ich bin froh, dass du da bist!«
»Jo, das alles deutet darauf hin, dass jemand die Ritter nicht unbedingt ins Herz geschlossen hat. Jemand torpediert ständig ihre Trainings, ihre Auftritte, greift zu immer drastischeren Mitteln. Wer? Warum?«
»Wenn ich das wüsste! Ich dachte anfangs auch, das alles wäre Zufall. Oder ein schlechter Scherz. Aber …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Aber Mordversuch ist kein schlechter Scherz? Ja, so sehe ich das auch. Wo ist das Motiv? Ich möchte diesen Jean-Paul befragen, er profitiert schließlich vom Ausfall des Kollegen.«
»Der Kleine?« Jo sah ihn überrascht an.
»Na ja, klein ist er nicht gerade«, sagte Gerhard und hatte den jungen kräftigen Mann vor Augen, dessen Oberkörper selbst unter einem T-Shirt sehr muskulös gewirkt hatte.
»Nein, aber jung. Gerade vierundzwanzig Jahre alt.«
»Auch solche Jungs morden! Kannst du für mich übersetzen? Mein Französisch ist fast nicht existent. Und wenn Franzosen englisch reden, klingt das wie Suaheli«, sagte Gerhard.
Schweigend marschierten sie wieder an der falschen Burg vorbei und hinter die Absperrung. Diesmal gingen sie bis zu einer Reihe Container. Gerhard hatte sich nie Gedanken gemacht, wie es backstage bei Ritters aussah.
Lauter Hausmänner, die tollen Kerle. Einer nähte gerade in voller Konzentration und besserte die Stickerei an einem Lederteil aus. Ein anderer hatte sein Kostüm an einer Container-Tür aufgehängt und klopfte es mit einem Teppichklopfer aus. Eine rhythmische Bewegung, die den Container irgendwie zum Schwingen brachte und ihn ein zirpendes Geräusch ausstoßen ließ. Marco und Hugo sprühten Kopfteile an. Einer popelte an den Federbüschen herum, und Jean-Paul wienerte an seinen Stiefeln. Er schien sie erwartet zu haben, grüßte artig und folgte Gerhard und Jo in einen Container, der wohl als eine Art Cafeteria diente.
Sehr schlicht, das Ambiente. Schlicht war auch das Gemüt des jungen Ritters. Er antwortete nach langem Nachdenken sehr langsam auf die Fragen, und auch wenn Jo womöglich das eine oder andere wegließ, waren seine Antworten beängstigend einsilbig. Da Gerhard ja stets auf die deutsche Übersetzung warten musste, hatte er viel Zeit, Jean-Paul zu beobachten. Mit offenem Mund lauschte er der Frage, dachte angestrengt nach und antwortete dann wirklich mit voller Anstrengung. Gerhard war sich eigentlich sicher, dass er nicht log, wenn er sagte: »Marco ist wie ein Vater. Die Ritter sind meine Brüder. Ich verehre Marco. Marco hat mir sehr geholfen.« Im Laufe des Gesprächs kam heraus, dass er ein nordafrikanischer Einwanderer war. »Nie würde ich meinen Freunden Schmerz tun.« Anscheinend übersetzte Jo wörtlich. Eines aber bestätigte auch er. »Die Lanzen sind erst am Tag vom Unglück gekommen. Da war ich immer mit den Pferden. Immer waschen. Hubert hat mich gesehen. Immer. Er hat die Leitung ganz gemacht. Überall Wasser.« Gerhard nickte dem Jungen zu, der ihm irgendwie Leid tat. Als sie sich von Jean-Paul verabschiedeten, wünschte Gerhard ihm »Bonne Chance«. Er strahlte, schüttelte Gerhards Hand. Er schien nahe dran, ihm die Füße zu küssen. Nein, so ein guter Schauspieler war der nicht. Als sie gingen, hob Marco die Hand zum Gruß und lächelte. Hugo sah hoch und zwinkerte Jo zu. Gerhard sagte nichts, bis sie wieder vor der Burg standen.
»Wo finde ich diesen Hubert? Wer ist das genau?«, fragte er.
»Hubert Holzer aus Rottenbuch. Er ist Spenglermeister, hatte einen kleinen Betrieb. Er war vor vielen Jahren hier der Spengler für die Dauer des Turniers. Ein paar Jahre.
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