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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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nach Luft. Baier rutschte noch näher heran.
    »Wie, tot?«, kam es lasch vom Bürgermeister.
    »Tot! Mausetot! Tot-tot. Ohne Leben. Wo waren Sie?« Baier brüllte.
    »Zu Hause bei meiner Frau.«
    »Die das bezeugen kann?«, fragte Evi.
    »Natürlich.«
    »Na, dann fahren wir da mal hin.«
    Evi lächelte zuckersüß.
    Die Gattin des Herrn Volksvertreters war unter all ihrer Schminke kaum als Mensch auszumachen. Sie war eine wandelnde Maske. Ihr Outfit war teuer, zwei Nummern zu klein und geschmacklos: Sie trug eine Kombination aus kurzem gemusterten Bouclé-Rock und Blazer, was an einem jungen Mädchen kess ausgesehen hätte, an ihr aber wirkte, als hätte sie einen Sofabezugsstoff umgenäht. Ansonsten war sie üppig mit Gold behängt und trug unzählige Ringe. Dafür, dass sie anscheinend gerade in der Küche arbeitete, war sie eindeutig overdressed. Ihre Stimme und ihr Auftreten waren ausgesprochen laut. Sie zog Evi in die Küche, um ihr zu zeigen, dass sie einen »gscheidn Apfelstrudel« buk, »ned so a Kleinhäusler Apfelstrudel wie die Weiber im Dorf, die die Butter reut. Da ghert Butter nei. Und de hom man zum Saufuadern«.
    Das interessierte Evi sicher brennend, Gerhard musste grinsen. Natürlich wusste die Dame des Hauses zu berichten, dass ihr Mann zu Hause gewesen sei.
    »Wo soi der bsuffene Depp a hi, de Wirtsheiser machen a amoi zu.«
    Ja, um halb eins hätte sie ihn heimkommen gehört. Weil er was runtergerissen hätte, »a so a bsuffas Wogscheidl«.
    »Woher wissen Sie die Uhrzeit so genau?«, fragte Gerhard.
    »Weil i den Radiowecker ogschaut hob. Den Fernsehkasten hot er odraht, vui z laut. Der werd schee stad dored, der Depp.«
    »Sagen Sie, haben Sie einen Computer?«, fragte Gerhard.
    »Wieso?«
    »Würden Sie bitte einfach meine Frage beantworten?«
    »Mei Mo hot oan auf der Gmoa, aber er is z damisch, dass er n bedient.«
    Die Kommissare verabschiedeten sich.
    »Charmant, charmant!« Baier grinste. »Haben Sie das butterreiche Rezept für den Strudel, werte Kollegin?«
    »Um Himmels willen. Dann ende ich wie die! Zwanzig Kilo Übergewicht ganz in Bouclé. Nein, danke. Was ist überhaupt ein Kleinhäusler Apfelstrudel?«
    »Einer ohne Butter. Sparversion. Dabei stammt sie selbst aus so einer Kleinhäusler Umgebung. Drei Kühe, eine Sau, Gemüsegarten. Bitterarme Familie. Aber so schnell vergisst der Mensch, woher er kommt«, sagte Baier zu Evi.
    »Glauben wir ihr?«, fragte Gerhard.
    »Warum nicht? Ich glaube kaum, dass sie ihren Mann schützen würde«, meinte Evi. »Und Lepaysan ist definitiv erst nach zwei Uhr ermordet worden, eher später, sagt die Gerichtsmedizin. Aber was ist mit diesem Sägwerks-Sepp? Wenn der das Gefühl hat, der Bürgermeister reitet ihn da in was rein, hätte der nicht allen Grund, den Erpresser zu eliminieren?«
    »Schon, aber der Mann hat ein sicheres Alibi.«
    Sowohl Evi als auch Gerhard schauten Baier verblüfft an.
    »Solltet früher aufstehen, Kollegen. Die Zeitung lesen. Tagblatt lesen, dabei gewesen. Unser Sägwerks-Sepp ist bei der Musik, und die war in Italien. Zu einem Musikertreffen im Val Sugana. Bis Donnerstag. Heute auf der Landkreis-Seite. Landkreis-Bauernschädel in Tracht neben schicken italienischen Bergchören. Was wir so exportieren in die Welt …« Er schüttelte den Kopf. »Aber glaub dem Bürgermeister nicht. Wir müssen nochmals in die Halle. Der Eintänzer wollt uns doch ‘ne Liste machen.«
    »Ja«, sagte Gerhard. »Treffen wir uns doch dort. Ich würde gerne versuchen, einen Arzt für mein Kreuz zu finden.«
    »Pflegen Sie sich, Weinzirl! Sie sind auch nicht mehr der Jüngste.« Baier grinste.
    Gerhard schämte sich ein bisschen. Seinem Kreuz ging es eigentlich wieder ganz gut. Aber er musste nach Kaltenberg. Was hieß, er musste? Aber er wollte das Baier nicht auf die Nase binden und Evi schon gar nicht. Auf deren Kommentar, was sein Verhältnis zu Jo betraf, war er nun gar nicht scharf. Evi hatte sich nämlich schon vor geraumer Zeit auf Jos Seite geschlagen. Weibersolidarität – so ein Krampf!
    Als Gerhard freitags Richtung Kaltenberg fuhr, fielen ihm Matthias’ Worte wieder ein. Ja, selbst auf dieser kurzen Wegstrecke war es spürbar: Es gab ein Nord-Süd-Gefälle zwischen Alpenrand und der Lechebene. Rott hatte noch Charme, aber dann wurden die Häuser anders. Einfacher, die Eternitplatten nahmen zu. Alles, was in Oberammergau in Form von Lüftlmalerei noch üppig klotzte, schien weit weg. Wo im Pfaffenwinkel ausladende Balkone

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