Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
das Büro verlassen. Ich hab seine Privatnummer und Handy. Er geht momentan nirgends ran. Ich hab ihn um Rückruf gebeten.«
In dem Moment läutete das Telefon. Baier schaute auf das Display.
»Aha, Starnberg, hoffentlich ist Holzer wieder bei Bewusstsein.« Er nahm ab.
»Wie, weg?« Er hörte zu und lief rot an. »Das wird Folgen haben, hören Sie!« Er warf den Hörer in die Schale. »Holzer ist aus dem Krankenhaus verschwunden. Hat sich alle Schläuche abgerissen und ist weg. In Luft aufgelöst.«
»Nein!«
»Doch!«
»Aber der kann doch nicht weit kommen. Der Mann ist todkrank.«
»Nicht todkrank. Der Arzt sagt, das wäre ein massiver Kreislaufkollaps gewesen. Verdammt!«
Sie veranlassten eine Großfahndung nach Holzer.
»Wo will er hin? Überlegen wir mal logisch.«
»Ich nehme an, er wird Kontakt mit Steffi aufnehmen. Der Mann hat kein Auto, er wird nicht gerade in ein Taxi oder den Bus steigen. Er weiß doch sicher, dass wir nach ihm fahnden.«
»Also müssen wir Steffi überwachen. Wo kann sie sein?«
Baier war aufgestanden. »Habe eine beschissene Ahnung. Wahrscheinlich ist sie längst bei ihm. Los, auf nach St. Heinrich!«
Allmählich wurde Weilheim-Seeshaupt ihre Standardstrecke und Baiers Kurventechnik immer besser.
»Ich hab’s geahnt«, fluchte Baier, als sie Lepaysans Haus erreicht hatten. Da stand nun ein Wohnmobil. Der Polo war weg.
Gerhard gab die Fahndung nach dem blauen Kleinwagen raus. »Das ist doch Wahnsinn, die beiden kommen doch nicht weit. Holzer macht alles doch nur noch schlimmer. Und zieht Steffi mit rein. Das ist doch völlig unlogisch.«
»Gegen die Angst ist die Logik machtlos«, sagte Baier.
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Evi.
»Warten und so lange nach dem Motiv suchen. Café Hirn, ich brauch was zu trinken«, knurrte Baier.
Sie setzten sich wieder an der Tisch am Fenster. Alex war nicht da. Gerade als die Getränke kamen, klingelte Evis Handy.
»Danke, dass Sie zurückrufen. Moment, ich geh mal raus, damit ich Sie besser verstehe.« Sie glitt von ihrem Hocker und ging nach draußen. Gerhard und Baier konnten sie durch die Scheibe sehen, sie rannte regelrecht auf und ab, immer das Handy am Ohr. Schließlich war sie wieder da.
»Das war der Redakteur.«
»Ja, Evi, das dachte ich mir. Und weiter!«
»Ich hab ihn nach dem Kindsvater gefragt, und er hat in der Erinnerung gekramt. Isabella Holzer muss das Thema wohl äußerst ungern angesprochen haben. Aber sie hat immer betont, dass der Kindsvater ihre ganz große Liebe gewesen sei. Und sie seine. Ihm war das damals alles ziemlich pathetisch vorgekommen, sie war ja noch so jung. Und dann gab es eben auch Gerüchte.«
Evi machte mal wieder eine ihrer Kunstpausen. Gerhard sah sie drohend an.
»Der Vater des Kindes soll ein Kaltenberger Ritter gewesen sein. Ein Franzose. Sie hätte aber nie Näheres rausgelassen. Und wie gesagt, das seien alles nur Gerüchte gewesen.«
Es war still, eine geraume Zeit. Gerhard war der Erste, der etwas sagte.
»Eine junge Frau wird schwanger, von einem dahergelaufenen Franzosen. Sie ist die einzige Tochter, das Einzige, was ihm von seiner verstorbenen Frau geblieben ist. Und nun diese Schande: ein Franzose, ein Stuntman, nicht ein netter Junge aus dem Dorf, vielleicht der Sohn des Bürgermeisters. Sosehr der Vater seine Tochter liebt, er kann nicht raus aus seiner Haut. Was meint ihr, würde Holzer so empfinden?«
Baier nickte, Evi sagte: »Wahrscheinlich.«
»Das Enkelkind wird geboren, es ist natürlich trotzdem ein Enkelkind und wahrscheinlich süß und liebenswert, wie das alle Enkelkinder sind. Die Situation wendet sich zum Guten. Seht ihr das auch so?«, fragte Gerhard weiter.
Wieder Nicken.
»Aber dann bringt sich die Tochter um. Lässt den Opa mit einer Dreijährigen zurück. Für den Mann muss alles zusammengebrochen sein. Warum hat sie das getan?«, fragte Evi. »Alles schien doch gut zu werden, und dann bringt sie sich um. Das ist doch furchtbar.«
»Das ist nicht furchtbar, sondern feige. Selbstmord ist feige, eine Attacke auf die Hinterbliebenen!«, rief Gerhard.
»Du weißt doch nicht, was passiert ist. Vielleicht konnte sie nicht anders«, sagte Evi.
»Man kann immer anders. Es gibt immer etwas Besseres als Suizid.«
»Das ist zynisch, Gerhard. Menschen fühlen unterschiedlich. Manche sehen eben keinen Ausweg.«
»Das ist Psychokram, das ist …«
Baier fiel ihnen ins Wort: »Kollegen, jetzt keine Debatte über Suizid. Da haben sich Philosophen und
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