Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
Ihnen, trotzdem. Mach mir übrigens auch Sorgen, wenn Sie ihre Schienbeine aufschlagen und durch ‘ne Arena rennen. So – und nun zu Holzer.«
Die drei ließen den Fall Revue passieren, und vor allem Gerhard ging diese ganze Holzer-Kiste gegen den Strich.
»Ich glaube, wir verrennen uns da.«
»Und warum war er in Lepaysans Wohnung?«, fragte Evi.
»Ach Scheiße, es gibt kein Motiv.«
Baier mischte sich ein. »Frau Straßgütl, rufen Sie doch mal bei der Augsburger Zeitung an. Vielleicht erinnert sich jemand an das Mädchen, das die Mutter von Steffi ist.«
Evi verließ den Raum, und als sie zehn Minuten später wiederkam, dimpfelten die beiden Herren über ihrem Kaffee. Evi hatte wieder mal rote Backen und war ganz aufgeregt.
»Das glaubt ihr nicht! Also Isabella Holzer war wohl auf dem Wege dorthin, was man eine Edelfeder nennt. Ich habe mit einem Redakteur dort gesprochen, der sie damals unter seine Fittiche genommen hatte. Sie muss hoch talentiert gewesen sein, deshalb haben die ihr auch ein Volontariat ohne vorhergehendes Studium angeboten. Tja, und deshalb sei das alles ja auch so tragisch, sagt der Redakteur.«
»Ihr Geschick für Dramaturgie in Ehren, Frau Kollegin. Weiter!«
»Nun, das Mädchen wurde schwanger, sie hat es aber bis zur Geburt des Kindes 1986 noch hingekriegt, das Volontariat zu beenden.«
»Das ist doch nicht tragisch, oder? Eher schlechtes Timing. Aber dann wäre sie in Mutterschutz gegangen und hätte wieder angefangen. Wenn sie so gut war, hätten die Augsburger sie doch wieder genommen, zumal in den Achtzigern der Druck nicht so hoch gewesen ist. Da haben Zeitungen Volontäre doch noch übernommen, anstatt sie auf die Straße zu jagen oder gleich nur noch unbezahlte Praktika zu vergeben«, warf Gerhard ein, der durch seine langjährige Freundschaft zu Jo, damals, als sie selbst noch bei der Allgäuer Zeitung gewesen war, genug Einblicke erhalten hatte.
»Völlig korrekt, das hat der Redakteur auch gesagt, aber sie hat sich 1989 umgebracht.«
»Was!« Das kam zweistimmig – von Baier und Gerhard.
»Ja, und der Redakteur war heute noch sehr betroffen. Er hat wohl versucht, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Er war so eine Art Vertrauter für sie. Er hat sie auch gedrängt, nach Augsburg zu ziehen, weg vom Dorf, weil man sie da wohl ziemlich scheel angesehen hat.«
»Komm, das waren die Achtziger. Da war eine junge Mutter mit einem unehelichen Kind doch keine Sensation mehr«, meinte Gerhard.
»Unterschätzen Sie mir nicht die schwäbische Wohlanständigkeit hinter den Eternitplatten. Da ist eine ganz eigene Welt da westlich des Lechs zwischen Landsberg, Augsburg und München.« Baier schaute grimmig.
»Trotzdem, die kleine Stephanie war gerade mal drei Jahre alt. Ihre Mutter hat sich für das Kind entschieden, obwohl sie dafür einen tollen Job aufgeben musste. Sie hätte abtreiben können, was sie nicht getan hat. Sie zieht das durch und bringt sich drei Jahre später um? Das leuchtet mir nicht ein.« Gerhard trommelte mit einem Kugelschreiber auf dem Tisch herum. Wohin sollte das nun wieder führen?
»Depressionen? Vielleicht ist ihr das alles über den Kopf gewachsen? Sie hat das unterschätzt mit der Verantwortung für das Kind. Das gibt es häufig«, meinte Evi.
»Was du über sie gehört hast, klingt, als wäre sie sehr entschlossen gewesen. Ungewöhnlich klug. Das glaube ich einfach nicht. Das passt nicht.«
»Depressionen machen auch vor starken und klugen Menschen nicht Halt«, sagte Baier.
Evi wiegte den Kopf. »Ja, das mag schon sein, aber Gerhard hat irgendwie Recht. Da stimmt was nicht.«
»Jedenfalls ist Holzer nach dem Tod seiner Tochter mit der kleinen Enkelin nach Rottenbuch gezogen. Das leuchtet mir ein, dass ihn zu viel an das Unglück erinnert hat. Er wollte neu anfangen«, sagte Gerhard.
»Wieso eigentlich Rottenbuch?«, fragte Evi.
»Keine Ahnung, aber das erscheint mir jetzt sekundär. Eine ganz andere Frage: Was ist eigentlich mit dem Vater von Steffi Holzer? Was sagt der Redakteur dazu?«, wollte Gerhard nun wissen.
»Das war nicht Thema. Wahrscheinlich ein Ausrutscher, nach dem sich der Kindsvater verzupft hat. Das passiert ja leider sehr oft«, ranzte Evi ihn an.
»Rufen Sie nochmals bei der Augsburger an. Wenn der Mäzen so viel wusste, weiß er vielleicht auch was über den Vater. Auch ein verschwundener Vater ist ein Vater.« Das klang fast wie eine Retourkutsche. Evi verließ eilig den Raum. Und kam sehr schnell wieder. »Er hat
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