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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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leben, aber was ist mit Lutz Lepaysan? Herr Holzer, wir haben eine Zeugin, die Sie gesehen hat.« Gerhard pokerte.
    »Ich habe ihn nicht getötet. Ich bin zu dieser Halle gefahren. Es hat ewig gedauert, bis endlich mal alle Leute weg waren. Ich wollte von ihm die Bilder haben. Ich hab gesehen, dass er mich fotografiert hat. Ich hab gesagt, ich käme im Auftrag von Frau Kennerknecht. Sie wolle die Backstage-Bilder exklusiv. Er war nicht mal abgeneigt, der Preis war allerdings astronomisch. Ich habe ihm mehrfach gesagt, das Geschäft käme nur zustande, wenn sie nie mehr sonst – auch nicht in Auszügen – veröffentlicht würden. Bei digitalen Bildern ist das ja alles nicht so einfach. Da hat er begonnen, mich zu provozieren. He, Opa, was hat so ein Alterchen wie du denn für ‘ne Ahnung vom Copyright. Opi goes Internet. Solche Sachen hat er gesagt. Es fand sich sehr witzig. Da habe ich das Stativ genommen und zugeschlagen. Er hat verdutzt geschaut, und dann kam er ins Stolpern, fiel über eine Kameratasche und stürzte in die Tiefe. Ich wollte das nicht.«
    »Warum haben Sie keinen Notarzt geholt?«, fragte Evi.
    »Er war tot.«
    »Woher wussten Sie das? Sind Sie Mediziner?« Evi versuchte, ihn zu provozieren.
    Holzer aber sprach leise und kühl weiter: »Ich habe seine Halsschlagader gefühlt. Er war tot. Ein böser Mensch, für den der Herrgott wohl den Tod bereitgehalten hat.«
    »Holzer, kommen Sie mir nicht mit göttlicher Rache. Ob das ein Unfall war, werden die Gerichte klären. Es steht keinem von uns zu, über den Wert eines Menschen zu urteilen«, donnerte Baier.
    »Er war böse, hinterhältig und verletzend.«
    »Ist das nicht sehr hart, Herr Holzer? Ein sehr hartes Urteil über jemanden, den sie kaum gekannt haben?«, fragte Evi.
    »Besser hart. Ich habe gelernt, dass nur ein Herz aus Eisen überlebt. Es überlebt die Kälte und die Hitze. Die Gefechte und die Schmeicheleien. Es bleibt kühl.«
    »Ja, und unmenschlich!«, rief Evi. »Aber so sind Sie doch gar nicht! Sie arbeiten ehrenamtlich, engagieren sich. Sie gelten als Menschenfreund.«
    »Bin ich aber nicht. Wen geht es etwas an, wie ich mich tief drinnen fühle, solange ich mich korrekt verhalte?«
    Wie viele Menschen liefen wohl auf dieser beschissenen Erdkugel rum, die sich korrekt verhielten, obwohl in ihrem Herzen und in ihrer Seele einer mit einem Messer wütete und nicht müde wurde, immer wieder zuzustechen?, dachte Gerhard.
    »Wieso haben Sie das Pferd eigentlich nicht getötet? Vergiftet oder ihm die Sehnen durchgeschnitten, wie das im Mittelalter üblich war? Wieso? Das hätte sich doch angeboten? Dann hätte die Truppe wirklich aufhören müssen. Einige der spektakulären Szenen wären gar nicht möglich gewesen. Das hätte Marco Cœur de Fer gestoppt. Wieso also nicht?«, fragte Gerhard eindringlich.
    »Sie haben Recht. Das wäre das Einzige, was ihm heilig ist. Seine Pferde. Aber das hätte ich nicht gekonnt. Je mehr ich die Menschen kenne, desto lieber sind mir Tiere.«
    Diesen Satz hätte Gerhard auch von Jo hören können oder von Marco, wahrscheinlich auch von Sarah. Irgendwie beneidete er sie sogar ein bisschen. Sie hatten etwas, was sie mit Haut und Haaren verteidigten. Kinder und Tiere, die, die des Schutzes bedurften. Holzer hatte seine Enkelin schützen wollen. Na gut, aber trotzdem leuchtete Gerhard das alles nicht wirklich ein.
    »Erzählen Sie mir also nichts von Menschlichkeit«, sagte Holzer nochmals und sah Evi richtig böse an. »Sie sind jung. Jünger, als meine Tochter heute wäre. Junge Menschen sind dumm. Meine Tochter hat sich umgebracht. Sie hat mich verlassen. Aus Dummheit!«
    »Selbstmord ist nicht dumm. Selbstmord ist Verzweiflung!«, rief Evi erbost.
    »Das hat Steffi auch gesagt, als sie mir den Brief gegeben hat. Um ihre Mutter zu rehabilitieren, hat sie gesagt. Ich glaube das nicht, was in dem Brief steht. Niemals glaube ich das. Isabella hat mich verlassen, mich und das Kind. Das tut man nicht. Man verlässt nicht Vater und Kind.«
    Holzer starrte an die Decke, seine Fäuste hatten seine Bettdecke umkrallt.
    »Was für ein Brief? Was glauben Sie nicht?«, fragte Gerhard.
    Holzer starrte weiter nach oben. Gerhards Blick ging durch den Raum. Dann sah er einen zusammengefalteten Zettel am Boden liegen. Er hob ihn auf, entfaltete ihn, schickte einen Blick zu Holzer hinüber. Der reagierte nicht. Gerhard begann zu lesen:
    Meine liebe Stephanie!
    Alles verlor an Wert an einem heißen Sommertag im Juli. Es war

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