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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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wieder hinauf in die Berge wollte. Die Zehen und Finger schmerzen ein wenig wegen der Erfrierungen, aber sonst fühlt er sich wohl, eisiger Sturm und Schnee haben ihm nichts anhaben können.
    Sein Vater hat einen schwierigen Charakter, sodass er manchmal nicht wagt, ihn zu stören. Auch Beggi weiß das. Die Brüder spüren, dass ihr Vater hin und wieder seine Ruhe braucht, dass er allein sein will, ohne all den Lärm und den Trubel, der von Kindern ausgeht. Dann zieht er sich in die gute Stube zurück, in die sie nur selten hineindürfen, und spielt auf seiner Violine. Außerdem besitzt er zwei Mundharmonikas, und er kann auch auf ganz anderen Instrumenten wie beispielsweise auf dem Akkordeon spielen. Hin und wieder engagiert man ihn für Gesellschaften, manchmal für Tanzveranstaltungen, wo er nicht besonders gern spielt, denn betrunkene Menschen sind ihm zuwider. Sehr viel mehr Freude bereitet es ihm, auf der Orgel in der Kirche zu spielen, wenn er gebeten wird, für den Organisten einzuspringen. Er gibt auch etwas Musikunterricht in der Volksschule, auch das macht ihm viel Spaß. Er hat sogar so etwas wie ein kleines Ensemble ins Leben gerufen, in dem Leute aus verschiedenen Orten in den Ostfjorden zusammen spielen. Einer von ihnen ist Gitarrist, und Erlendur findet, dass er seinem Instrument sehr viel fröhlichere Töne entlockt als sein Vater der Geige. Der Mann mit der Gitarre hat aber auch ein kleines Schallplattengeschäft und weiß deswegen genau, was sich in der Musik gerade tut. Er spielt immer ganz aktuelle Sachen.
    Seine Geige bewahrt der Vater in einem schönen Kasten im Elternschlafzimmer auf, und fast täglich begibt er sich mit ihr und den Notenheften ins Wohnzimmer. Er übt unterschiedlich lange, und manchmal dürfen die Jungen ihm zuhören. Meistens jagt er sie aber hinaus und macht die Tür zu. Wenn er das Instrument stimmt, um die Saiten zum Klingen zu bringen, wie er sagt, entstehen alle möglichen Misstöne, und die beiden halten sich die Ohren zu. Doch dann wird die Geige in seinen Händen spielerisch leicht, und er entlockt den Saiten mit dem tanzenden Bogen verwegene Intervalle. Das ganze Haus hallt dann wider von hellen, klaren Tönen. Doch dann wieder entströmen dem Instrument nur dunkle und melancholische Klänge, mit denen er seiner Sehnsucht nach mehr Elan und Wagemut Ausdruck verleiht.
    Sein Vater hat starke Stimmungsschwankungen, es gibt gute und schlechte Phasen. Erlendur lernt das mit der Zeit, aber erst sehr viel später versteht er, dass sein Vater manisch depressiv ist. Er versucht, seinen Söhnen Unterricht zu geben und ihnen die Welt der Musik zu erschließen, findet aber bald heraus, dass die Jungen kein besonderes Interesse daran haben, ein Instrument zu spielen. Sie kommen über die Anfänge nicht hinaus, ihnen fehlen das Verlangen und die Leidenschaft. Er zwingt sie zu nichts, weil er das für sinnlos hält, und hofft, dass sich bei ihnen das Interesse an Musik später einstellen wird.
    Auch sein Vater war mit Akkordeonspiel und Chorgesang aufgewachsen, hatte schon in jungen Jahren eine Mundharmonika bekommen und wurde in die Musikschule in Akureyri geschickt. Damals war es nicht selbstverständlich, dass junge Männer eine solche Chance bekamen, denn das Leben war hart, und es sollte auch gar nicht lange dauern, bis er gezwungen war, seine Ausbildung abzubrechen und nach Hause zurückzukehren. Die meiste Zeit spielte er auf geliehenen Instrumenten, und sein Traum war es, einmal die Königin der Instrumente zu besitzen. Kurz nach Beggis Geburt hatte er genug zusammengespart, um eine gebrauchte Violine zu kaufen, die in Höfn im Hornafjörður zum Verkauf stand.
    Die Menschen von Bakkasel sind nicht vermögend und können sich kaum irgendwelchen Luxus leisten. Wenn das Geld knapp ist, muss man erfinderisch sein. Die Landwirtschaft ist klein und wirft wenig ab, doch der Musikunterricht bringt zusätzliche Einkünfte. Auch die Mutter der Jungen trägt etwas zum Unterhalt bei, sie arbeitet in der Fischfabrik, wenn dort Leute gebraucht werden. Geschenke sind auf Weihnachten und Geburtstage beschränkt, aber in seinen guten Phasen kauft der Vater manchmal eine Kleinigkeit für seine Jungen, um ihnen eine Freude zu machen und sie für die schwierigeren Stunden zu entschädigen. Keine großartigen Geschenke, nur Kleinigkeiten, die nicht mehr als ein paar Öre kosten, aber in den Augen der Jungen sind sie kostbar, denn sie wissen, warum sie gekauft werden. In seinen schlimmsten

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