Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
nicht zur Last fallen.«
»Das tust du gar nicht. Ich habe nicht oft die Gelegenheit, an diese Dinge zu rühren. Ganz zu schweigen davon, dass du etwas Neues herausfinden könntest. Du hast mein Herz etwas höher schlagen lassen.«
Erlendur konnte nicht leugnen, dass Hrund besser aussah, sie wirkte munterer und war sehr viel gesprächiger. Er wusste nicht, inwieweit der wieder eingestellte Zucker oder die Antibiotika der Grund dafür waren. Er selbst war nie krank gewesen und hatte keinen einzigen Tag seines Lebens im Krankenhaus verbracht.
»Jetzt frage ich wie ein kleines Kind – und was passierte dann?«, sagte Erlendur.
»In den nächsten Monaten passierte nicht viel, außer dass die Beziehung zwischen Ezra und Matthildur immer enger wurde. Er und Jakob fuhren weiter zum Fang aus, doch nun mehrten sich die Tage, an denen Ezra sich krankmeldete. Obwohl hier eigentlich jeder jeden kennt, konnten die beiden ihre Beziehung erstaunlich lange geheim halten. Sie wussten natürlich, dass sie Jakob früher oder später die Wahrheit sagen mussten, denn es war besser und richtiger, wenn er es von ihnen erfuhr, als dass es ihm von irgendjemandem zugetragen würde. Matthildur war der Meinung, dass er Schwierigkeiten machen würde, deswegen zögerte sie. Beide fürchteten sie sich vor Jakob, vor seiner Reaktion.
»Glaubst du, dass Matthildur sich mit Ezra eingelassen hat, um sich an Jakob zu rächen?«
»Die Frage liegt natürlich auf der Hand. Sie bekommt diesen Brief, ist zutiefst verletzt und wendet sich einem anderen Mann zu.«
»Was meinte deine Mutter dazu?«
»Sie konnte nicht viel dazu sagen«, erklärte Hrund. »Sie wusste nur, dass Matthildur in allem, was sie tat, aufrichtig war. Sie hatte sich in Ezra verliebt, wie auch immer es dazu gekommen war, sie hat ihn nicht getäuscht. Das wusste niemand besser als Ezra, er hat es meiner Mutter gesagt.«
Das Schwierigste war, sich heimlich zu treffen, denn allzu oft konnte Ezra nicht von der Arbeit wegbleiben. Er wollte Matthildur auch nicht zu sehr unter Druck setzen, Jakob zu verlassen. Zwar glaubte sie, ausreichend Gründe dafür zu haben, sich von ihm zu trennen, denn er stritt immer noch ab, mit ihrer Schwester ein Kind gezeugt zu haben, doch sie hatte Angst vor ihm, vor seiner Reaktion, wenn sie ihn verlassen würde. Ezra suchte die ganze Zeit nach einem stichhaltigen Grund, um nicht mehr gemeinsam mit Jakob zum Fischen fahren zu müssen, denn es fiel ihm immer schwerer, mit ihm zusammen zu sein. Betrug, Versteckspiel und Heimlichtuerei waren ihm zuwider. Es durfte nicht bekannt werden, dass er und Matthildur etwas miteinander hatten, aber früher oder später musste es herauskommen.
Eines Nachts wälzte er sich schlaflos in seinem Bett und dachte an Matthildur und die unerträgliche Situation, in der sie sich befanden, als er ein leises Klopfen vernahm. Er öffnete die Tür, und als Matthildur hereingehuscht war, schloss er sie rasch wieder.
»Ich habe dich so vermisst«, flüsterte sie und umarmte ihn.
Er nahm sie in die Arme, küsste sie und trug sie in die Küche, wo sie sich lange küssten, da plötzlich riss sie sich los.
»Lass uns wegziehen«, sagte Ezra. »Lass uns zusammen weggehen. Am besten noch heute Nacht. Jetzt gleich.«
»Wir können aber nicht einfach so weggehen«, sagte Matthildur. »Ich muss zuerst mit ihm reden. Wir müssen mit ihm reden. Du bist sein Freund. Ich will, dass er zugibt, wie schlecht er meine Schwester behandelt hat.«
Ezra starrte Matthildur an, die ihm über die Stirn strich. Jakob war nach Reyðarfjörður gefahren und wollte über Nacht bleiben.
»In Ordnung«, sagte er. »Wir sagen ihm die Wahrheit, das ist immer das Beste. Wenn du das möchtest, ich habe nichts dagegen. Wir machen es gemeinsam. Du sagst ihm nichts, wir sagen es ihm gemeinsam.«
»Du weißt, wie entsetzlich eifersüchtig er ist.«
»Das kann ich gut verstehen, wenn es um dich geht.«
Am nächsten Tag kam sie nicht, doch spät am Abend wurde an seine Tür geklopft. Im Verlauf des Tages war ein Unwetter hereingebrochen, deshalb hatte er sich im Haus aufgehalten. Als er öffnete, stand Jakob vor ihm, er war sehr erregt. Ezra machte sich auf das Schlimmste gefasst, doch es sollte ganz anders kommen.
»Matthildur ist in diesem Unwetter unterwegs«, erklärte Jakob. »Ich wollte wissen, ob du mir helfen kannst. Helfen kannst, sie zu finden.«
Ezra traute seinen Ohren nicht. Er hatte daran denken müssen, wie gefährlich es war, bei einem solchen
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