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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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können.«
    »Wie hat deine Mutter darauf reagiert, als Jakob starb?«
    »Kein Verlust für die Menschheit, hat sie gesagt, und danach verlor sie nie wieder ein Wort über ihn.«
    Kjartan hatte die ganze Zeit auf seine Filzpantoffeln gestarrt, aber jetzt blickte er auf und sah Erlendur an.
    »Du hast nach Reaktionen gefragt.«
    »Ja?«
    »Ich habe einmal diese Tante aufgesucht, die ihr ganzes Leben lang hier gelebt hat. Ich hätte meine Verwandten hier gerne kennengelernt.«
    »Du meinst Hrund?«
    »Ja. Du kennst sie? Es war das erste und einzige Mal, dass ich sie getroffen habe.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie war nicht gerade erfreut darüber, mich zu sehen. Sie fand, dass ich vom Aussehen her auf meinen Vater käme, und das sprach wohl nicht gerade für mich. Sie erklärte, sie könne keine Ähnlichkeit zwischen mir und ihrer Familie feststellen, und dann bat sie mich, sie nicht mehr zu belästigen. Ich vermute, dass all diese Gerüchte, diese Gespenstergeschichten und dieser Aberglaube rund um Matthildurs Verschwinden Einfluss auf sie gehabt haben.«
    »Das ist natürlich gut möglich.«
    »Ich weiß, es ist kindisch von mir, aber … so etwas kann einen tief verletzen.«
    Erlendur überlegte einen Augenblick.
    »In der Kiste habe ich einen Nachruf auf deinen Vater gefunden. Ein Freund von ihm hat da über etliche positive Seiten an ihm geschrieben.«
    »Der Artikel, über den jemand Scheusal geschrieben hat.«
    »Ja, genau der.«
    Kjartan lächelte kalt.
    »Das war die Wegzehrung, die mir mit auf den Lebensweg gegeben wurde.«
    Er sah Erlendur an.
    »Ich möchte dich bitten, jetzt zu gehen«, sagte er. »Und dich nie wieder bei mir blicken zu lassen.«

Sechsundzwanzig
    Am späten Nachmittag verließ Erlendur Egilsstaðir. Es war wohl zu spät, um noch einen Besuch bei Ezra zu machen, und er beschloss, ihn auf den nächsten Morgen zu verschieben. Ihm lag daran, den alten Mann damit zu konfrontieren, was Hrund über das Verhältnis zwischen ihm und Matthildur gesagt hatte. Erlendur brannte die Frage auf der Zunge, ob Jakob von ihren Heimlichkeiten erfahren hatte, und wenn das der Fall gewesen war, wie er darauf reagiert hatte. Hatte er es herausgefunden, bevor Matthildur verschwand, oder hatte er es nicht gewusst? Ezra hatte viele Jahre später Hrunds Mutter von ihrer Liebe erzählt, aber nur, nachdem sie ihn gedrängt hatte. Hatte er auch anderen etwas darüber gesagt? Wussten andere von seiner Beziehung zu Matthildur? Er ging nicht davon aus, dass Ezra kooperativ sein würde, und deswegen kämpfte er etwas dagegen an, noch einmal mit ihm sprechen zu müssen. Doch wie unangenehm es auch sein mochte, er wusste ganz genau, dass sein Wissensdrang die Oberhand behalten würde.
    Er hielt an der Tankstelle in Eskifjörður, kaufte ein Sandwich und Zigaretten und füllte die Thermoskanne mit Kaffee auf. Den Wagen ließ er dort stehen und ging zu Fuß zum Friedhof, den er bei seinen früheren Reisen schon oft besucht hatte. Jedes Mal war er aufs Neue überrascht, wie außerordentlich gepflegt und harmonisch er wirkte. Er lag an einem Hang am Rande des Orts, umgeben von einer schön aufgeschichteten Steinmauer, ruhig und erfüllt vom Geist der Verstorbenen.
    Es war schon dämmrig geworden, als er den Friedhof betrat. Die Schneedecke hier war nicht besonders hoch und hinderte ihn nicht daran, die Grabinschriften zu entziffern.
    Es vergingen etliche Jahre, nachdem sie den Sarg seines Vaters in die Ostfjorde gebracht hatten, bevor seine Mutter nach kurzem Krankenhausaufenthalt starb. Er konnte in ihrer letzten Stunde bei ihr sein. Es war nicht mehr möglich gewesen, viel mit ihr zu reden, aber als es zu Ende ging, wusste sie, dass er bei ihr war, und das war ihr genug. Er war kaum je von ihrer Seite gewichen, nachdem sie ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sie hatte immer davon gesprochen, an der Seite von Sveinn zur Ruhe gebettet zu werden, und die Grabstätte dort war für sie reserviert. Der Sarg wurde im Flugzeug nach Egilsstaðir gebracht, und genau wie bei seinem Vater wurde er das letzte Stück mit einem Lastwagen nach Eskifjörður befördert. Die Straßen waren kaum besser geworden. Ein seltsamer Zufall wollte es, dass der Fahrer derselbe war, der auch den Sarg von Sveinn transportiert hatte. Und er war immer noch so redselig wie früher.
    »War nicht deine Mutter bei dir, als du das letzte Mal mit mir gefahren bist?«, fragte der Fahrer taktlos in seiner lauten und poltrigen Art. Sie hatten gerade den Sarg auf

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