Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Schrotflinte in der Hand, die aber nicht auf Erlendur gerichtet war, sondern auf den Boden. Er war genauso gekleidet wie vorhin an der Tür, in Pantoffeln, Unterhemd und einer Hose, die von schmalen Hosenträgern gehalten wurde.
»Mach, dass du hier wegkommst«, sagte er.
»Mach keine Dummheiten«, sagte Erlendur.
»Verschwinde«, sagte Ezra und hob die Schrotflinte.
»Was ist passiert? Wovor hast du Angst?«
»Mach, dass du fortkommst«, sagte Ezra. »Du befindest dich unbefugt auf meinem Grund und Boden.«
»Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Erlendur. »Was ist auf einmal so anders? Ich dachte, wir könnten uns ein wenig unterhalten.«
»Ninna hat mich angerufen und mich vor deiner Schnüffelei gewarnt«, erklärte Ezra. »Ich will nicht, dass du hinter mir herspionierst.«
»In Ordnung«, sagte Erlendur. »Das verstehe ich.«
»Gut. Dann sieh zu, dass du wieder nach Reykjavík kommst.«
»Verspürst du nicht den Wunsch, sie zu finden? Möchtest du nicht wissen, was aus ihr geworden ist? Was damals tatsächlich geschehen ist? Möchtest du das nicht wissen?«
»Lass mich in Frieden«, sagte Ezra. »Misch dich nicht in meine Sachen ein. Mach, dass du wegkommst!«
»Wusste Jakob von euch beiden?«
»Zum Teufel noch mal«, schrie Ezra, »hör auf damit und verschwinde!«
Er legte die Schrotflinte an und zielte nun auf Erlendur.
»In Ordnung«, sagte Erlendur. »Mach es nicht noch schlimmer, als es schon ist. Ich geh ja schon. Aber du weißt, dass ich das melden muss. Du kannst nicht einfach hier rumlaufen und mit deiner Flinte auf Menschen zielen, so als sei das völlig normal. Ich muss das bei der Polizei in Eskifjörður melden. Sie werden kommen und dir die Waffe wegnehmen. Möglicherweise verständigen sie auch das sek in Reykjavík, und die schicken dann ein paar Leute hierher. Und dann erfahren die Medien davon, und dann wird dein Name in den Siebenuhrnachrichten fallen. Heute Abend noch.«
»Wer bist du?«, fragte Ezra. Er hatte die Stimme gesenkt, die sowohl Zweifel als euch Verwunderung über den Mann verriet, der einen seiner Skistöcke in der Hand hielt und ihn herausforderte. »Wer zum Teufel bist du?!«
Erlendur gab ihm keine Antwort.
»Ich habe keine Angst, sie zu benutzen«, sagte Ezra und schüttelte die Schrotflinte. »Glaub nicht, dass ich davor zurückschrecke!«
Erlendur stand schweigend da und rührte sich nicht. Er sah dem alten Mann ins Gesicht.
»Ist es dir egal, ob du lebst oder stirbst?«, schrie Ezra.
»Wenn du mich wirklich erschießen willst, Ezra, wenn du wirklich glauben würdest, dass das eine Lösung ist, dann hättest du es schon längst getan. Du solltest wieder ins Haus gehen, bevor du dir hier etwas holst. Es ist ungesund, in Hausklamotten hier draußen im Schnee zu stehen.«
»Was bildest du dir ein, über mich zu wissen?«, entgegnete Ezra. »Was bildest du dir ein zu wissen? Du weißt überhaupt nichts! Du begreifst überhaupt nichts. Ich will, dass du gehst. Ich will nicht mit dir reden. Begreifst du das?«
»Erzähl mir von Matthildur.«
»Da gibt es nichts zu erzählen, Ninna hat da irgendeinen Blödsinn geredet. Nimm bloß nicht ernst, was sie sagt.«
»Ich habe mit Hrund gesprochen. Sie hat mir erzählt, was du seinerzeit ihrer Mutter gestanden hast. Ich weiß von der Beziehung zwischen dir und Matthildur. Ich weiß, dass ihr Jakob hintergangen habt.«
»Hintergangen«, erklärte Ezra in verächtlichem Ton. Die Schrotflinte sank herab. »Jakob hintergangen«, wiederholte er. »Willst du etwa behaupten, dass er ein anständiger Mensch war?«
»Mir ist nichts anderes bekannt.«
»Du weißt überhaupt nichts, das ist die Sache! Rein gar nichts!«
»Dann rede mit mir. Sprich über Jakob.«
»Ich habe nichts zu sagen. Ich habe nichts mit dir zu bereden!«
»Du hast Matthildurs Mutter alles über eure Beziehung gesagt.«
»Ich bat sie, das für sich zu behalten«, sagte Ezra. »Sie beschwor mich unter Tränen, mit ihr zu reden. Sie ließ mir keine Ruhe. Ich habe nicht damit gerechnet, dass auf einmal jeder davon weiß. Sie hatte mir versprochen, zu niemandem darüber zu sprechen.«
»Wieso wusste sie von dir?«
»Von mir?«
»Von dir und Matthildur?«
»Matthildur hatte ihr gesagt, dass wir gut befreundet waren, und sie hat anscheinend etwas mehr hineingedeutet.«
»Ich glaube, sie hat nur ihrer Tochter Hrund davon erzählt«, sagte Erlendur. »Meines Erachtens weiß niemand anderes etwas darüber, was du ihr anvertraut
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