Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
hast.«
»Das ist auch gut so.«
»Bist du sicher? Es ist doch alles schon so lange her.«
»Verdammte Klatschweiber!«, erklärte Ezra plötzlich. »Was haben sie über Jakob erzählt?«
»Nichts Besonderes.«
»Klatschweiber!«
»Und was war mit Jakob?«, fragte Erlendur, der das Gefühl hatte, jetzt einen Zugang zu Ezra finden zu können. »Wer war er? Und was war zwischen euch? Matthildurs Mutter hat dir geglaubt. Hast du ihr die Wahrheit gesagt?«
»Die Wahrheit?«, stieß Ezra wütend hervor. »Selbstverständlich! Willst du das jetzt so verdrehen? Willst du etwa einen Lügner aus mir machen?«
»Ich weiß es nicht. Sag mir, was geschehen ist.«
»Willst du etwa behaupten, dass ich Matthildurs Mutter etwas vorgelogen habe?«
»Ich frage dich: Hast du etwas mit dem Verschwinden von Matthildur zu tun?«
»Ich?!«
»Findest du diese Frage erstaunlich? Du hattest ein heimliches Verhältnis mit ihr. Sie war mit deinem Freund verheiratet.«
»Jetzt hör aber mal …«
»Sag mir, was damals geschehen ist, Ezra.«
»Willst du hören, wie wir Jakob betrogen haben?«, sagte Ezra und geriet wieder in Wut. »Willst du wirklich hören, wie wir ihn hintergangen haben, das Schwein? Dann komm. Ich werde dir sagen, was für ein Betrug das war. Und dann kannst du dich gefälligst aus dem Staub machen und mich in Ruhe lassen!«
Dreißig
Ezra legte die Schrotflinte nicht beiseite, sondern behielt sie auf den Knien. Er und Erlendur saßen einander in der Küche gegenüber. Er hatte den Finger am Abzug und strich manchmal mit der anderen Hand über den Lauf, während er mit leiser Stimme seine Geschichte erzählte. Es fiel ihm nicht leicht, von dem zu berichten, was vorgefallen war. Zum Teil lag es daran, dass er jahrzehntelang zu niemandem darüber gesprochen hatte und sich schwer damit tat, aber es rührte auch daher, dass ihm diese Ereignisse in gewisser Weise immer noch Qualen verursachten, auch wenn seitdem ein ganzes Menschenleben verstrichen war. Alles stand ihm noch ganz lebendig vor Augen, jedes Detail, jedes Ereignis, jedes Gespräch, als sei alles erst kürzlich geschehen. Zwischendurch machte er immer wieder lange Schweigepausen, die Erlendur nicht unterbrach. Ezra sprach sehr langsam und ließ sich nicht drängen, und Erlendur gestattete ihm, das Tempo zu bestimmen.
Ezra bestätigte das meiste von dem, was Hrunds Mutter ihrer Tochter über die Beziehung zwischen Matthildur und Ezra gesagt hatte. Der Brief von Ingunn hatte schicksalhafte Wirkung gehabt, doch auch schon vor seinem Eintreffen hatte es in Matthildurs Ehe gekriselt.
»Jakob war so etwas wie ein Freund«, sagte Ezra. »Ich weiß nicht, ob ich dir das bereits gesagt habe, ich weiß auch nicht, wie viel du weißt. Ich habe ihn in Djúpivogur kennengelernt, kurz nachdem ich in die Ostfjorde gekommen bin. Es war meine erste Fangsaison, und er hat mir in vieler Hinsicht geholfen. Ich war ein unerfahrener Bursche in einer fremden Umgebung, und ich mochte ihn. Und ich hatte das Gefühl, dass auch alle anderen ihn mochten. Er unterschied sich eigentlich kaum von den anderen, aber er war trotzdem … ihm liefen die Frauen nach. Ich weiß gar nicht, wie man das ausdrücken soll, aber er verstand sich irgendwie auf Frauen.«
»Vielleicht ist das der Grund für den schlechten Ruf, den er hatte?«
»Und es spielte keine Rolle, ob sie verheiratet waren. Einmal habe ich gesehen, wie er deswegen in eine Schlägerei verwickelt wurde.«
»Aber galt denn nicht dasselbe für dich, als du dich mit Matthildur eingelassen hast?«
»Ich war nicht wie er!«, erklärte Ezra prompt. »Überhaupt nicht!«
»Kannst du dich aus der Zeit in Djúpivogur an Matthildurs Schwester Ingunn erinnern?«
»Nein, überhaupt nicht«, sagte Ezra. »Danach hat mich Matthildur auch gefragt und mir ein Foto von Ingunn gezeigt. Ich konnte ihr nichts anderes sagen, als dass Jakob bei Frauen gute Karten hatte. Wer diese Frauen im Einzelnen waren, wusste ich nicht. Ich bin lange vor ihm nach Eskifjörður gezogen. Als er hierherkam, bahnte sich die Beziehung zu Matthildur an. Ich habe sie erst kennengelernt, als Jakob und ich zusammen zum Fischen ausfuhren, da waren sie aber schon ein Paar. Ich holte Jakob meist frühmorgens ab, und dabei trafen wir uns immer.«
»Über diesen Jakob weiß ich so gut wie gar nichts«, erklärte Erlendur. »Die Leute haben versucht, ihn zu beschreiben, und irgendjemand hat gesagt, dass er unter Klaustrophobie gelitten hat. Hast du davon
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