Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
mich und Matthildur triumphiert.«
»Was hat er mit der Leiche gemacht?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Aber er ließ mich wissen, dass er etwas bei ihr hinterlassen hätte, was mich direkt mit der Tat in Verbindung brächte, was er jederzeit gegen mich einsetzen könne. Ich hatte natürlich keine Ahnung, was das war. Und bis heute weiß ich nicht, ob es vielleicht nur eine leere Drohung war. Aber gesagt hat er es, und in dem Zustand, in dem ich mich befand, habe ich ihm alles geglaubt.«
»Du weißt also nicht, wo sie ist?«
»Ich weiß es nicht, ich habe es nie gewusst.«
»Es ist nicht einfach für dich gewesen«, sagte Erlendur. »Erst Matthildur zu verlieren und dann so etwas ins Gesicht geschleudert zu bekommen.«
»Jakob … Jakob war ein Teufel in Menschengestalt.«
»War es nicht schwierig, hier ganz in seiner Nähe zu leben?«
»Es war oft schwierig. Ich hatte natürlich keinerlei Umgang mit ihm, oder so wenig wie möglich. Er zog auch eine Zeit lang woandershin. Vielleicht hat er genauso viel Angst gehabt, dass ich zur Polizei gehen würde, wie ich, dass er unwahre Geschichten über mich in Umlauf setzen könnte. Zwischen uns herrschte so eine Art kalter Krieg. Er sagte …«
Ezra zögerte.
»Ja?«
»Er sagte, dass ich dafür büßen müsste, dass er es mir heimzahlen würde. Und das ist ihm wahrlich gelungen.«
»Du hast aber nicht von hier wegziehen wollen, beispielsweise dorthin, wo du herkamst, oder nach Reykjavík? Im Krieg sind die Menschen in Scharen nach Reykjavík geströmt, und du wärst in der Menge verschwunden. Wenn das hier in Island überhaupt möglich ist, dann in Reykjavík.«
»Ich konnte mir nicht vorstellen, von hier wegzuziehen«, sagte Ezra mit kaum vernehmbarer Stimme. »Weil ich wusste, dass Matthildur hier irgendwo sein musste. Ich wollte nicht von ihr fort, das konnte ich mir nicht vorstellen. Weil sie nie gefunden wurde, ist sie auch nie voll und ganz verschwunden. Verstehst du, was ich meine? Mir ist klar, dass es sich völlig verrückt anhört, aber für mich ist es, als wäre sie immer noch bei mir. Ich spüre sie, wenn ich durch die Straßen gehe, wenn ich aufs Meer schaue oder hoch in die Berge. Sie ist überall. Matthildur ist in allen Dingen um mich herum.«
Ezra machte eine Pause.
»Im Übrigen werde ich ja auch bald sterben. Dann ist das Ganze ausgestanden.«
»Du hast wirklich keine Vorstellung, wo sie sein könnte?«, fragte Erlendur wieder.
Ezra schüttelte den Kopf.
»Ganz sicher nicht?«
»Glaubst du, dass ich dich anlüge?«
»Nein«, sagte Erlendur. »Ich glaube, dass du mir die Wahrheit sagst. Aber in Anbetracht deiner eigenen Aussage und Jakobs Drohung, dir den Mord anzuhängen, könnte jemand auf die Idee kommen, dass du selbst einen Vorteil hattest, wenn sie nicht gefunden wurde.«
»So seid ihr Bullen!«, sagte Ezra. »Auf so eine Denkweise seid ihr gepolt. Alle verdächtigen, alles in Zweifel ziehen. Ich nehme an, du gehst davon aus, dass ich dir lauter Lügen erzählt habe, dass ich … dass ich selbst Matthildur umgebracht habe und Jakob zum Sündenbock mache. Ziehst du nicht diese Möglichkeit in Erwägung? Dass ich den Spieß einfach umgedreht habe?«
»Deine Reaktion …«, begann Erlendur, kam aber nicht weiter.
»Ich konnte nichts machen«, sagte Ezra. »Bis Jakob starb, schwebte das alles über mir wie ein Henkersbeil. Außerdem war das, was er getan hatte, nicht rückgängig zu machen. Matthildur war tot. Verschollen. Eine polizeiliche Ermittlung hätte nichts daran geändert.«
»Du hast alles geglaubt, was Jakob dir gesagt hat?«
»Ja, das habe ich.«
»Man hat mir gesagt, du wärst davon überzeugt gewesen, dass Jakob Matthildur niemals etwas hätte antun können. Gehörte das zu deinem Täuschungsmanöver?«
Ezra nickte.
»Du hast nie an seiner Darstellung gezweifelt?«
»Gezweifelt? An was sollte ich denn zweifeln?! Dass er Matthildur umgebracht hatte? Nein, das habe ich nie bezweifelt, niemals. Da zumindest hat er die Wahrheit gesagt.«
»Aber du hast nie eine Bestätigung dafür bekommen. Sie könnte auch tatsächlich bei diesem Unwetter umgekommen sein, und er hat sich das zunutze gemacht, um dich zu quälen, weil er von eurer Beziehung wusste. Hast du jemals darüber nachgedacht?«
»Ich weiß, dass er die Wahrheit gesagt hat«, wiederholte Ezra starrsinnig und sah Erlendur an.
»Du hast Gewissensbisse gehabt. Hattest du bereits ein Auge auf Matthildur geworfen, bevor sie zu dir gekommen
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