Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
Matthildur zu finden.«
    Der alte Mann schwieg zwar, aber Erlendur gab nicht auf. Er erklärte Ezra, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gegeben hatte, als sich zu Jakobs Sarg hinunterzuschaufeln, weil nach den Gesprächen mit ihm und Hrund ein bestimmter Verdacht bei ihm aufgekommen war. Und er sagte ihm, auf welche Weise das alles mit seinem speziellen Interesse für Kälteresistenz zusammenhing und mit seiner persönlichen Erfahrung, seinen Bruder verloren zu haben, dass aber auch seine Erfahrungen bei der Polizei eine Rolle bei alldem spielten. Erlendur erzählte ihm auch, dass der Spaten, den er auf dem Friedhof von Djúpivogur benutzt hatte, zur Ausstattung des Mietwagens gehörte; seine größte Angst sei gewesen, dass sich in dieser Nacht irgendjemand aus dem Ort in die Nähe des Friedhofs verirren und ihn bemerken könnte, um sofort Alarm zu schlagen. Erlendur schilderte Ezra die Szenerie in allen Einzelheiten, um sein Vertrauen wiederzugewinnen. Er beschrieb den Sarg, die Holzplanken, aus dem er zusammengezimmert worden war, wie unversehrt er nach all diesen Jahren noch gewesen war und wie leicht er sich hatte öffnen lassen.
    »Ich will das nicht hören«, sagte Ezra.
    »Ich denke, es wird dir nichts anderes übrig bleiben«, sagte Erlendur. »Und hör auf, mir gegenüber zu behaupten, du hättest nichts mehr zu sagen. Ich glaube, du hast ein schreckliches Verbrechen begangen, Ezra.«
    »Ich wollte wissen, wo Matthildur war, ich habe an nichts anderes denken können. An nichts anderes, die ganze Zeit, seit sie spurlos verschwand. Ich wollte wissen, was er mit Matthildur gemacht hatte.«
    »Das verstehe ich.«
    »Ich konnte die ganze Zeit an nichts anderes denken als an Matthildur in seinen Händen.«
    »Das ist verständlich.«
    »Ich wollte mich an ihm rächen.«
    »Ja.«
    Ezra starrte zu Boden.
    »Was waren das für Spuren unter dem Sargdeckel?«, fragte er dann mit kaum hörbarer Stimme.
    Erlendur brauchte eine Weile, bis er begriff, wonach Ezra fragte.
    »Du hast gesagt, du hättest Einkerbungen unten am Sargdeckel gefunden«, sagte Ezra.
    »Ich kam zu dem Schluss, dass Jakob noch am Leben gewesen sein musste, als sein Sarg in die Erde gesenkt wurde. Er verfügte immer noch über irgendwelche Kräfte, um am Sargdeckel zu schaben und zu nagen, aber lange kann es nicht gedauert haben, denn ihm ist sicher bald die Luft ausgegangen. Sein Leben ist bald erloschen. Ich glaube, er wusste, dass er in einem Sarg eingeschlossen war, aber das ist nur eine Vermutung. Sein Tod muss entsetzlich gewesen sein. Unvorstellbar.«
    Ezra richtete sich in seinem Sessel auf und sah Erlendur in die Augen. Er schien einen Entschluss gefasst zu haben.
    »Er war noch am Leben«, sagte Ezra. »Der andere, der mit ihm auf dem Boot war, der ist bei dem Unfall ertrunken. Jakob überlebte. Und …«
    »Und was?«
    »Ich habe es niemandem gesagt. Ich hielt es geheim, ich war der Einzige, der davon wusste.«
    Wieder schlug Ezra die Hände vors Gesicht.
    »Gott im Himmel«, stöhnte er, »ich habe immer noch Albträume wegen dem, was ich getan habe.«

Siebenundvierzig
    Im Laufe des Morgens hatte sich das Wetter so sehr verschlechtert, dass die meisten Fischer, die ausgefahren waren, um die Mittagszeit wieder den sicheren Hafen ansteuerten. Laut Wettervorhersage hätte das Sturmtief eigentlich weiter südlich vorbeiziehen sollen, für diesen Teil der Ostfjorde waren höchstens eine steife Brise und geringfügige Niederschläge angesagt gewesen. Kurz nach Mittag wurde es immer schlimmer, ein Sturm brach los, der sich dann zu einem regelrechten Orkan entwickelte, und das Schneetreiben war so dicht, dass man nicht die Hand vor Augen sehen konnte. Das Unwetter fegte über die gesamten Ostfjorde hinweg bis nach Vopnafjörður, und in den schlimmsten Böen wurden Geschwindigkeiten bis Windstärke zwölf erreicht. Die Temperaturen fielen unter den Gefrierpunkt.
    Ezra machte gerade die Kästen mit den Ködern fertig, als er erfuhr, dass eines der Boote, die am Morgen ausgefahren waren, vermisst wurde. An Bord waren Jakob und ein anderer Mann. Sie waren frühmorgens ausgefahren und nicht zurückgekehrt, und man war sehr besorgt. Man erkundigte sich telefonisch in anderen Fischerdörfern, ob sie vielleicht dort Schutz vor dem Unwetter gesucht hatten, aber ohne Erfolg. Der Sturm wütete so extrem, dass man kaum von einem Haus zum anderen gelangen konnte. Ezra arbeitete bereits seit einigen Jahren im Eishaus, das aber seinem Namen kaum noch

Weitere Kostenlose Bücher