Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Ehre machte, seit zwei Jahre zuvor ein modernes Gefrierhaus in Betrieb genommen worden war. Eis gab es nicht mehr im Eishaus, aber es wurden dort immer noch Gerätschaften für den Fang und die Verarbeitung von Fisch aufbewahrt. Ezra hatte die Aufsicht.
Es waren einige Jahre ins Land gegangen, seit Jakob ihm von Matthildurs Schicksal erzählt hatte, sein Verbrechen zugegeben und Ezra gedroht hatte, alle Schuld auf ihn abzuschieben. Jakob war danach eine Zeit lang weggezogen und hatte sowohl in Höfn als auch in Egilsstaðir gelebt, soweit Ezra in Erfahrung bringen konnte, und verschiedene Tätigkeiten übernommen, sowohl auf dem Wasser als auch an Land. Er hatte sogar kurze Zeit beim Aufschwung in Reykjavík mitgemischt, dort vor allem profitierte die Nation von der Anwesenheit der Besatzungstruppen. Nun war Jakob aber vor zwei Jahren nach Eskifjörður zurückgekehrt und hatte das Haus gemietet, in dem er mit Matthildur gelebt hatte. Er heuerte wieder auf der Sigurlína an und fischte seitdem von Eskifjörður aus. Einige wenige Male war er ins Eishaus gekommen, ohne dass Worte zwischen ihnen fielen. Jakob hatte nicht wieder geheiratet, aber diverse Beziehungen gehabt. Ezra war alleinstehend gewesen, bevor er Matthildur kennenlernte, und war es immer noch.
Nach ihrem Kampf seinerzeit hatte er Jakob zweimal aufgesucht und ihn bedrängt, ihm zu sagen, wo Matthildur zu finden war. Beide Male war Jakob nicht bereit dazu gewesen, stattdessen hatte er Ezra mit Hohn und Spott überhäuft und den Weiberhelden, wie er Ezra nannte, gedemütigt. Ezra hatte nicht den Mut, sich an die Polizei zu wenden. Er dachte aber die ganze Zeit über Wege und Mittel nach, wie er Jakob das Geheimnis entlocken konnte, was er mit der Leiche gemacht hatte. Wie er ihn dazu zwingen konnte, ihm die Wahrheit zu sagen. Er war ein friedliebender Mensch und wusste, dass er niemals imstande sein würde, es unter Anwendung von Gewalt aus ihm herauszulocken. Und er verfügte auch nicht über Reichtümer, um für die Wahrheit zu bezahlen. Jakob ging es nur darum, die eigenen Interessen zu wahren, das stritt er auch gar nicht ab. Bei ihrem letzten Zusammentreffen drohte er ein weiteres Mal damit, Ezra wegen Mordes hinter Schloss und Riegel zu bringen, wenn er herausfände, wo Matthildur war. Solange es keine Leiche gab, gab es auch keinen Fall, es sei für sie beide am besten, wenn sie nie gefunden würde, hatte er gesagt. Es ist für uns beide das Beste, daran festzuhalten, dass sie oben in den Bergen umgekommen ist.
Ezra schloss das Eishaus ab und kämpfte sich die Strandgata entlang bis zu seinem Haus vor. Unterwegs wurde er von einem Mann überholt, der ihm zurief, dass im Nachbarfjord ein Boot gestrandet sei: Sie glauben, dass es die Sigurlína ist! Im nächsten Moment war der Mann im Schneetreiben verschwunden. Ezra zögerte. Er wusste nicht, wohin der Mann rannte, und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, ihm folgen zu müssen. Doch dann senkte er wieder den Kopf und stapfte gegen das wütende Schneetreiben an. Zu Hause angekommen, schälte er sich aus der Schutzkleidung, die vor Eis und Schnee starrte, und hängte die Sachen zum Trocknen auf. Er warf den Kohleherd an, um sich einen Kaffee zu kochen. Es würde eine Weile dauern, bis das Haus so gut durchgeheizt war, dass ihm selbst wieder warm werden würde. Er setzte sich neben den Herd und stopfte sich ein Stück Trockenfisch nach dem anderen in den Mund, dachte an das Boot im Unwetter und daran, was wohl aus der Besatzung geworden war. War es tatsächlich die Sigurlína gewesen? Waren beide Männer umgekommen? War Jakob tot?
Als er satt und auch wieder einigermaßen warm geworden war, wurde plötzlich heftig geklopft. Er ging zur Tür und öffnete. Valdi, ein Junge, der im Gefrierhaus arbeitete, trat völlig von Schnee bedeckt ein. Ezra schloss die Tür hinter ihm.
»Du musst das Eishaus aufschließen«, sagte Valdi. »Die Leichen sollen dort aufbewahrt werden.«
»Die Leichen?«
»Die beiden auf der Sigurlína sind umgekommen«, sagte Valdi. »Ertrunken.«
»Ist Jakob tot?«
»Ja, er und îskar. Sie hatten einen Maschinenschaden, da war überhaupt keine Chance für sie, wenn ich es richtig verstanden habe.«
Ezra zog sich wieder die wetterfeste Kleidung, Fäustlinge und Mütze an. Valdi berichtete ihm, was er wusste, und kurze Zeit später erfuhr Ezra die ganze Geschichte von zwei Augenzeugen, die beim Eishaus mit den Leichen auf ihn warteten. Sie waren zusammen mit zwei anderen
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