Eisfieber - Roman
Laute von sich wie Kühe. Der Sturm konnte aber auch einen großen Vogel gegen die Tür geworfen haben, dessen Schreckensschrei eher wie der eines Menschen klang. Für den wahrscheinlichsten Übeltäter hielt Kit den kleinen Tom, Mirandas Sohn. Er war elf – genau das Alter, im dem man nachts umherschleicht und Indianer spielt.
Angenommen, Tom hätte durchs Fenster gelinst und die Pistolen gesehen – was hätte er unternehmen können? Zuerst hätte er wohl seine Mutter gesucht, aber die war nicht zu finden. Dann hätte er wohl seine Schwester oder Ned aufgeweckt. Wie auch immer, Nigel hatte keine Zeit mehr zu verschwenden. Er musste die gesamte Familie festsetzen, bevor jemand über ein Handy Hilfe holte. Kit selbst waren jedoch die Hände gebunden: Jeder Tipp, den er Nigel gab, hätte ihn als Komplizen entlarvt. Er blieb daher sitzen, wo er war, und hielt weiterhin den Mund.
»Sie hatte doch bloß ein Nachthemd an«, sagte Nigel. »Weit gekommen ist sie damit bestimmt nicht.«
»Na schön«, sagte Elton, »ich seh mich mal in den anderen Gebäuden um.«
»Moment noch!« Nigel runzelte die Stirn und dachte nach. »In diesem Haus hier wurde jedes Zimmer durchsucht, stimmt’s?«
»Das hab ich dir doch gesagt«, erwiderte Daisy.
»Wir haben jetzt drei Mobiltelefone kassiert – von Kit, von dem nackten Giftzwerg und von der Schwester, die das Maul nicht halten kann. Steht damit fest, dass kein unentdecktes Handy mehr im Haus ist?«
»Kein einziges.« Daisy hatte bei ihrer Hausdurchsuchung speziell auch nach Handys Ausschau gehalten.
»Okay, dann durchsuchen wir jetzt am besten die anderen Gebäude.«
»Genau«, sagte Elton. »Es gibt ein Gästehaus, eine Scheune und eine Garage, hat der Alte erzählt.«
»Dann seht zuerst in der Garage nach – in den Fahrzeugen sind bestimmt Telefone. Danach durchsucht das Gästehaus und zum Schluss die Scheune. Treibt den Rest der Familie zusammen, und bringt die Leute hierher. Vor allem aber passt auf, dass euch kein Handy entgeht. Wir halten die Herrschaften noch ein, zwei Stunden in Schach und machen dann die Fliege.«
Kein schlechter Plan, dachte Kit. Wenn die ganze Familie an einem Fleck versammelt ist und kein Telefon hat, kann niemand was unternehmen. Und am Morgen des Ersten Weihnachtstags klopft garantiert niemand an die Tür – kein Milchmann, kein Briefträger, kein Weinhändler. Es besteht also nicht die Gefahr, dass Außenstehende Verdacht schöpfen könnten. Das Trio kann einfach hier sitzen bleiben und warten, bis es hell wird.
Elton zog seinen Regenmantel an und sah hinaus in den Schnee. Kit, der seinem Blick folgte, registrierte, dass das Gästehaus und die Scheune, die nur der Hof vom Haupthaus trennte, trotz der brennenden Außenlampen kaum zu erkennen waren. Es schneite noch immer, und es sah nicht so aus, als würde sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern.
»Wenn Elton zum Gästehaus geht, knöpf ich mir die Garage vor«, sagte Daisy.
»Ja, und zwar schnell jetzt«, drängte Elton. »Wer weiß, ob nicht schon gerade wer die Bullen ruft!«
Daisy steckte ihre Waffe ein und zog den Reißverschluss ihrer Lederjacke hoch.
»Bevor ihr geht«, sagte Nigel, »schließen wir diese Gesellschaft hier am besten irgendwo ein, wo sie keinen Schaden anrichten kann.«
In diesem Augenblick sprang Hugo Nigel an.
Die Attacke überraschte ausnahmslos alle. Auch Kit hatte Hugo bereits abgeschrieben – doch nun sprang er mit furioser Energie vor und schlug Nigel wieder und wieder mit beiden Fäusten ins Gesicht. Er hatte den Zeitpunkt für seinen Angriff gut gewählt, denn Daisy hatte ihre Waffe eingesteckt und Elton die seine nie gezogen. Der einzige Gangster mit einer Pistole in der Hand war daher Nigel, und der war so sehr damit beschäftigt, Hugos Schlägen auszuweichen, dass er sie im Augenblick gar nicht benutzen konnte.
Er taumelte rückwärts und stieß gegen die Anrichte. Hugo setzte ihm nach wie der Leibhaftige persönlich, trommelte auf sein Gesicht und seinen Körper ein und gab dabei unverständliche Laute von sich. Innerhalb weniger Sekunden landete er zahllose Treffer – aber Nigel ließ die Pistole nicht fallen.
Elton reagierte als Erster. Er griff nach Hugo und versuchte ihn zurückzuziehen, doch Hugo war nackt und daher schwer zu packen. Mehrmals rutschten Eltons Hände von Hugos rotierenden Schultern ab.
Stanley ließ Nellie los. Sie bellte wild, stürzte sich sofort auf Elton und biss ihn in die Beine. Obwohl sie schon alt war und ein
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