Eisfieber - Roman
Die Speisekammer enthielt eine Klimaanlage.
»Ach, mir kommen gleich die Tränen«, erwiderte Nigel sarkastisch.
»Wir brauchen einen Arzt für meinen Mann.«
»Nachdem er mich ins Gesicht geschlagen hat, kann er von Glück reden, dass er keinen Totengräber braucht!« Nigel wandte sich an Elton. »Stopf denen irgendwas in die Mäuler, damit sie keinen Lärm machen können. Und beeil dich, wir haben nicht mehr viel Zeit!«
In einer Schublade fand Elton saubere Geschirrtücher, mit denen er Stanley, Olga und Hugo knebelte. Letzterer hatte das Bewusstsein wiedererlangt, war aber noch immer benommen. Zum Schluss zerrte Elton die gefesselten Gefangenen auf die Füße und stieß sie in die Speisekammer.
»Jetzt zu dir«, sagte Nigel zu Kit. »Hör mir gut zu!« Oberflächlich gesehen, wirkte Nigel ruhig; er plante voraus und traf die entsprechenden Anordnungen. Sein schmales, zynisches Gesicht war jedoch leichenblass, und seine Miene verriet eine verbissene Entschlossenheit. Kit erkannte, dass Nigels Nerven unter der scheinbar gelassenen Fassade so straff gespannt waren wie Gitarrensaiten. »Wenn die Bullen kommen, empfängst du sie an der Tür«, fuhr Nigel fort. »Sei freundlich zu ihnen, und spiel den gelassenen, gesetzestreuen Bürger. Sag ihnen, dass hier alles in Ordnung ist und dass alle anderen im Haus noch schlafen.«
Kit hatte keine Ahnung, wie er den Gelassenen spielen sollte, obwohl er das Gefühl hatte, er stünde vor einem Erschießungskommando. Er umklammerte die Rückenlehne eines Küchenstuhls, damit das lästige Zittern endlich aufhörte. »Was ist, wenn sie reinkommen wollen?«
»Red’s ihnen aus. Wenn sie drauf bestehen, führ sie in die Küche. Wir verschwinden so lange in dem kleinen Vorraum.« Er deutete auf die Stiefelkammer. »Sieh einfach zu, dass du sie schnellstens wieder los wirst.«
»Mit den Bullen kommt auch Toni Gallo«, sagte Kit. »Das ist die Sicherheitschefin der Firma.«
»Na und? Schick sie einfach wieder weg.«
»Sie wird meinen Vater sprechen wollen.«
»Sag ihr, das geht nicht.«
»Ich glaube nicht, dass sie sich damit abwimmeln lässt …«
Nigel hob die Stimme. »Himmelarschundzwirn – was kann sie denn schon tun? Dich k. o. schlagen und über deinen bewusstlosen Körper hinweg ins Haus marschieren? Sag ihr einfach, sie soll sich verpissen!«
»Okay«, sagte Kit. »Aber wir müssen dafür sorgen, dass auch meine Schwester Miranda den Mund hält. Sie versteckt sich auf dem Dachboden.«
»Auf dem Dachboden? Wo?«
»Direkt über uns. Schaut in den ersten Kleiderschrank im Ankleidezimmer. Hinter den Anzügen ist eine niedrige, kleine Tür, die auf den Dachboden führt.«
Nigel sparte sich die Frage, woher Kit wusste, dass sich Miranda dort aufhielt, sondern wandte sich sofort an Daisy: »Kümmere dich drum!«
Miranda sah ihren Bruder mit Nigel sprechen und hörte, wie er ihr Versteck preisgab.
Im Nu lief sie zur Dachbodentür und kroch durch den Schrank ins Ankleidezimmer ihres Vaters. Sie atmete schwer, ihr Herz raste, und sie hatte das Gefühl, dass ihr Gesicht puterrot angelaufen war, aber sie wusste, was sie tat, und war nicht in Panik geraten, noch nicht.
Auch Kits Ankündigung, dass die Polizei unterwegs sei, hatte sie mitbekommen und schon gehofft, der böse Spuk werde bald vorüber sein. Ich muss nichts weiter tun, als mich still verhalten und abwarten, bis die Männer in blauen Uniformen die Gangster festnehmen, hatte sie gedacht. Als Nigel dann aber aus dem Stegreif heraus einen Gegenplan entwickelte, war ihr klar, dass sie sich zu früh gefreut hatte. Ihre Alternative für den Fall, dass die Polizei Anstalten traf, unverrichteter Dinge wieder zu gehen und die Bande unbehelligt zu lassen, bestand darin, ein Schlafzimmerfenster aufzureißen und laut um Hilfe zu schreien. Aber jetzt hatte Kit auch diesen Plan zunichte gemacht.
Der Gedanke an eine neuerliche Begegnung mit Daisy erfüllte Miranda mit Entsetzen, aber noch konnte sie sich auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen.
Während Daisy den Dachboden durchsuchte, würde sie sich gegenüber in Kits Schlafzimmer verstecken.
Sie rannte durch Stanleys Schlafzimmer und wollte gerade die Tür nach draußen öffnen, als sie die schweren Stiefel auf der Treppe hörte. Es war zu spät.
Die Tür flog auf, und Miranda versteckte sich dahinter. Ohne sich umzusehen, stürmte Daisy durchs Schlaf- ins Ankleidezimmer.
Miranda schlüpfte zur Tür hinaus, schlich in Kits Zimmer, ging zum Fenster und zog
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