Eisfieber - Roman
Schneeflocken verschwanden. »Du spinnst«, sagte sie.
Okay, dachte Craig, du magst also keine Komplimente.
Er führte sie die Treppen hinauf ins Obergeschoss. Im alten Teil des Hauses befanden sich dort drei kleine Schlafzimmer und ein altmodisches Bad. Großvaters Suite befand sich im neuen Anbau. Craig klopfte an die Tür; es konnte ja sein, dass Großvater im Zimmer war. Als niemand antwortete, trat er ein und durchmaß mit schnellen Schritten das Schlafzimmer mit dem großen Doppelbett. Im Ankleideraum öffnete er eine Schranktür und schob eine Reihe von Kleidungsstücken beiseite – Nadelstreifen-, Tweed- und karierte Anzüge, die meisten blaugrau. Er ging auf die Knie und taste im Schrank herum, bis er die Rückwand fand. Dann gab er ihr einen Stoß – und eine ungefähr einen Quadratmeter große, an einem Scharnier befestigte Klappe sprang auf. Craig kletterte durch die Öffnung.
Sophie folgte ihm, und Craig kletterte noch einmal zurück und zog die Schranktür wieder zu. Dann fummelte er in der entstandenen Dunkelheit nach dem Lichtschalter. Eine nackte Glühbirne, die von einem Dachbalken herunterhing, flammte auf.
Sie befanden sich in einem Speicher. Der Raum wurde beherrscht von einem großen alten Sofa, aus dem an mehreren Rissen die Füllung herausquoll. Daneben stapelten sich auf den Dielen eine Anzahl modriger Fotoalben. Diverse Pappkartons und Teekisten enthielten, wie Craig noch von einem früheren Besuch wusste, Mutters Schulzeugnisse, mehrere Romane von Enid Blyton, in die mit kindlicher Schrift der Satz Dieses Buch gehört Miranda Oxenford eingetragen war; ferner eine Kollektion hässlicher Aschenbecher, Schüsseln und Vasen, bei denen es sich wohl um unerwünschte Geschenke oder Fehlkäufe handelte. Sophie strich mit den Fingern über die Saiten einer verstaubten Gitarre; sie war grässlich verstimmt.
»Hier oben kannst du rauchen«, sagte Craig. Leere Zigarettenpackungen längst vergessener Marken – Woodbines , Players , Senior Service – ließen ihn vermuten, dass hier die Nikotinsucht seiner Mutter begonnen hatte. Auch Schokoladenpapier lag herum – das ging wahrscheinlich auf die dicke Tante Miranda zurück. Für die vielen Herrenmagazine mit Titeln wie Männerfantasien , Höschenspiele oder Gesäßmäßigkeiten war dagegen eher Onkel Kit zuständig.
Craig hoffte, dass Sophie diese Magazine nicht sehen würde, doch sie fielen ihr als Erstes auf. Sie nahm ein Heft zur Hand. » Wow! Pornos, da schau her!«, sagte sie und wirkte dabei so munter wie den ganzen Tag noch nicht. Sie setzte sich aufs Sofa und begann in dem Magazin zu blättern.
Craig sah weg. Obwohl er es nie zugegeben hätte: Er kannte diese Hefte Seite für Seite. Pornos gingen aber nur Jungen etwas an und waren außerdem reine Privatsache. Doch Sophie hatte sich direkt vor seiner Nase bereits in ein Hustler -Magazin vertieft und studierte die Seiten so genau, als müsse sie darüber eine Examensarbeit schreiben.
Um sie abzulenken, sagte er: »Dieser Teil des Hauses war früher, als es hier noch Landwirtschaft gab, die Molkerei. Großvater hat sie in eine Küche umbauen lassen. Weil das Dach so hoch war, haben sie einfach noch eine Zwischendecke eingezogen und den Raum hier oben als Speicher genutzt.«
Sophie blickte nicht einmal auf. »Die Frauen hier sind ja alle rasiert!«, sagte sie und brachte ihn damit noch mehr in Verlegenheit. »Echt pervers.«
»Du kannst von hier aus in die Küche sehen«, fuhr er fort. »Und zwar da drüben, wo der Abzug vom Herd durch die Decke kommt.« Er legte sich flach auf den Boden und spähte durch einen breiten Spalt zwischen den Dielenbrettern und einem Metallrohr. Von dort ließ sich die gesamte Küche überblicken. Er konnte die Flurtür am anderen Ende, den langen Kiefernholztisch, die Schränke auf beiden Seiten und die Türen sehen, die ins Esszimmer und in die Waschküche führten. Auch der Herd und die Anrichte sowie die beiden Türen, die links und rechts davon in eine große Speisekammer bzw. durch den Vorraum mit dem Stiefelschrank zum Hintereingang führten, waren gut zu erkennen. Die meisten Familienmitglieder hatten sich um den Küchentisch versammelt. Caroline, Craigs Schwester, fütterte gerade ihre Ratten. Miranda schenkte Wein ein, Ned las den Guardian , Lori pochierte einen ganzen Lachs in einem Fischtopf.
»Ich glaube, Tante Miranda betrinkt sich«, sagte Craig.
Das schien Sophie zu interessieren. Sie ließ das Pornoheft fallen und legte sich neben Craig
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