Eisfieber - Roman
Stanley Oxenford das BSL - 4 -Labor in den ersten Morgenstunden des 25 . Dezember betreten hätte. Stanley würde natürlich protestieren und behaupten, er habe daheim im Bett gelegen. Toni Gallo aber würde der Polizei erzählen, wegen der Überprüfung des Fingerabdrucks könne nur er selbst die Karte benutzt haben. »Prächtig«, sagte Kit laut. Die Vorstellung, wie ratlos und verblüfft sie alle sein würden, bereitete ihm ein königliches Vergnügen.
Es gab biometrische Sicherheitssysteme, die Fingerabdrücke mit Daten verglichen, die in einem zentralen Computer gespeichert waren. Wäre im Kreml ein solches System installiert gewesen, so hätte Kit Zugang zu der entsprechenden Datenbank haben müssen. Aber Firmenangestellte hatten eine irrationale Abneigung gegen die Speicherung ihrer persönlichen Daten auf einem Computer des eigenen Unternehmens. Vor allem Wissenschaftler lasen oft den Guardian und zierten sich unter Hinweis auf ihre bürgerlichen Rechte und den Datenschutz. Kit hatte daher, um der Belegschaft das neue Sicherheitssystem schmackhaft zu machen, einen anderen Weg gewählt und die Fingerabdruckdaten auf der Chipkarte anstatt in einer zentralen Datenbank gespeichert – ohne dass er zum damaligen Zeitpunkt auch nur im Traum auf die Idee gekommen wäre, er könne eines Tages versuchen, das von ihm selbst entwickelte System auszutricksen.
Er war mit sich zufrieden. Der erste Schritt war getan. Er besaß jetzt einen Schlüssel für das BSL - 4 -Labor. Doch bevor ihm der etwas nutzen konnte, musste er erst einmal in den Kreml hineinkommen.
Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Handynummer von Hamish McKinnon, einem der Werkschutzmänner, die heute im Kreml Dienst hatten. Hamish war der Dealer der Firma: Er versorgte die jüngeren Forscher mit Marihuana und die Sekretärinnen mit Ecstasy für ihre Wochenenden. Mit Heroin oder Crack hatte er nichts am Hut, weil er wusste, dass ihn über kurz oder lang ein Süchtiger verpfeifen würde. Kit hatte Hamish für heute Nacht zu seinem Vertrauten gemacht; er konnte sich seiner ziemlich sicher sein, denn der Mann hatte ja selber Geheimnisse, von denen er wollte, dass sie gewahrt blieben.
»Ich bin’s«, sagte Kit, als Hamish sich meldete. »Kannst du reden?«
»Dir auch frohe Weihnachten, Ian, alter Kumpel!«, sagte Hamish gut gelaunt. »Wart ’ne Sekunde, ich geh mal kurz raus, das ist besser.«
»Alles in Ordnung?«
Hamishs Stimme klang jetzt sehr ernst. »Ja, aber sie hat die Wachen verdoppelt. Ich bin mit Willie Crawford auf Schicht.«
»Wo seid ihr positioniert?«
»Im Pförtnerhaus.«
»Perfekt. Ist alles ruhig?«
»Wie auf dem Friedhof.«
»Wie viele Wachen seid ihr insgesamt?«
»Sechs. Zwei hier, zwei an der Rezeption und zwei im Kontrollraum.«
»Okay. Das ist zu schaffen. Gib mir Bescheid, wenn irgendwas Unvorhergesehenes geschieht.«
»Okay.«
Kim beendete das Gespräch. Als Nächstes wählte er die Nummer, die ihm Zugang zum Telefoncomputer des Kreml verschaffte. Über diese Nummer konnte die Telefongesellschaft Hibernian Telecom bei Störfällen Ferndiagnosen stellen. Kit hatte eng mit HT zusammengearbeitet, da die installierten Alarmsysteme Telefonleitungen nutzten; von daher kannte er die Nummer und den Zugangscode. Auch hier war ein kritischer Moment zu überstehen, denn es war nicht auszuschließen, dass Nummer und Code in den neun Monaten seit seiner Entlassung geändert worden waren.
Aber das war nicht der Fall.
Kits Handy war mit seinem Laptop über einen Funkkontakt verbunden, der bis zu ca. fünfzehn Meter überbrücken konnte und sogar durch Mauern hindurch funktionierte, was später durchaus noch nützlich sein konnte. Über den Laptop stellte Kit nun eine Verbindung zum Zentralcomputer der Telefonanlage im Kreml her. Das System hatte Detektoren, die Einmischungen von außen registrierten, aber nicht Alarm schlugen, wenn dazu die firmeneigene Telefonleitung mit der entsprechenden Kennung benutzt wurde.
Als Erstes schaltete er alle Telefone im Kreml ab, ausgenommen jenes am Empfang.
Danach leitete er sämtliche Anrufe, die in den Kreml hineinkamen oder aus ihm hinausgingen, auf sein Handy um. Er hatte seinen Laptop bereits dahingehend programmiert, dass er die Nummern, die am ehesten in Frage kamen – wie jene Toni Gallos – erkannte. Der Computer konnte die Anrufe selbst beantworten oder den Anrufern vorgefertigte Antworten vorspielen, ja es war ihm sogar möglich, Anrufe weiterzuleiten und die
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