Eisfieber - Roman
Gespräche abzuhören.
Zum Schluss veranlasste Kit sämtliche Telefone im Kreml, fünf Sekunden lang zu klingeln, um die Wachen aufzuscheuchen. Dann unterbrach er die Leitung, setzte sich auf die Stuhlkante und wartete.
Er war sich ziemlich sicher, was nun geschehen würde. Die Wachen hatten eine Liste mit Personen, die in verschiedenen Notsituationen angerufen werden mussten. Ihre erste Reaktion würde ein Anruf bei der Telefongesellschaft sein.
Kit brauchte nicht lange zu warten. Sein Handy klingelte. Er ließ es klingeln und beobachtete den Bildschirm. Kurz darauf erschien eine Meldung: »Kreml ruft Toni.«
Damit hatte er nicht gerechnet. Der erste Anruf hätte eigentlich HT gelten müssen. Aber Kit war auf alle Eventualitäten vorbereitet. Rasch aktivierte er eine für solche Fälle aufgenommene Ansage. Eine weibliche Stimme teilte dem Wachmann, der mit Toni sprechen wollte, mit, dass das Handy, das er angewählt habe, nicht angeschaltet oder nicht erreichbar war, und riet ihm, es später noch einmal zu versuchen. Der Wachmann legte auf.
Schon klingelte Kits Telefon erneut. Kit hoffte, dass die Wachen nun die Telefongesellschaft anrufen würden, sah sich aber auch diesmal enttäuscht. Auf dem Bildschirm erschien die Meldung: »Kreml ruft RPHQ .« Die Sicherheitscrew rief also bei der regionalen Polizeistation in Inverburn an. Das war durchaus in Kits Sinn. Er leitete den Anruf an die richtige Nummer weiter und hörte mit.
»Hier ist Steven Tremlett, Werkschutzleiter bei Oxenford Medical. Ich möchte einen ungewöhnlichen Zwischenfall melden.«
»Worum handelt es sich, Mr. Tremlett?«
»Kein großer Notfall, aber wir haben ein Problem mit unseren Telefonleitungen. Ich bin nicht sicher, ob unsere Alarmanlagen in diesem Fall funktionieren.«
»Ich hab’s notiert. Können Sie die Leitungen reparieren lassen?«
»Ich rufe gleich beim Notdienst an, aber wann die am Heiligabend kommen, weiß der Himmel.«
»Sollen wir einen Streifenwagen schicken?«
»Wenn sonst nicht viel los ist. Wäre jedenfalls kein Fehler.«
Kit hoffte, die Polizei würde im Kreml vorbeischauen – sein Alibi klänge dann plausibler.
»Später, nach der Sperrstunde, wird einiges los sein, aber momentan ist alles ruhig«, erklärte der Polizist.
»Gut. Sagen Sie den Kollegen, ich hab ’ne Tasse Tee für sie.«
Das Gespräch war beendet. Kits Handy klingelte ein drittes Mal, und diesmal las er: »Kreml ruft HT .« Na endlich, dachte er erleichtert, denn auf diesen Anruf hatte er gewartet. Er drückte eine Taste und sagte in sein Telefon: » Hibernian Telecom . Kann ich Ihnen helfen?«
Steves Stimme meldete sich: »Hier ist Oxenford Medical. Wir haben ein Problem mit unserer Telefonanlage.«
Kit übertrieb seinen schottischen Dialekt, damit seine Stimme nicht erkannt wurde. »Ist das in der Greenmantle Road, Inverburn?«
»Ja.«
»Worin liegt das Problem?«
»Alle Telefonapparate sind tot, außer diesem hier, von dem ich spreche. Das Gebäude ist natürlich leer. Aber unsere Alarmanlagen sind an die Telefonleitungen angeschlossen. Wir müssen sicher sein, dass sie funktionieren.«
Just in diesem Augenblick betrat Kits Vater das Zimmer.
Kit erstarrte vor Schreck und kam sich vor, als wäre er wieder ein kleiner Junge und bei etwas Unerlaubtem ertappt worden. Stanley warf einen Blick auf den Computer und das Handy und zog die Brauen hoch. Kit riss sich zusammen. Ich bin kein kleines Kind mehr, dass Angst vor einer Strafpredigt hat, dachte er. Er bemühte sich, Ruhe zu bewahren, und sagte ins Telefon: »Ich rufe Sie in zwei Minuten zurück.« Dann drückte er eine Taste auf dem Keyboard des Laptops, und der Bildschirm wurde schwarz.
»Du arbeitest?«, fragte Stanley Oxenford.
»Ich muss noch was fertig machen.«
»An Weihnachten?«
»Ich habe versprochen, diese Software bis zum 24 . Dezember zu liefern.«
»Inzwischen ist dein Kunde längst zu Hause, wie jeder vernünftige Mensch.«
»Aber sein Computer wird ihm sagen, dass ich ihm das Programm rechtzeitig vor Mitternacht zugemailt habe. Er kann also nicht behaupten, dass ich zu spät geliefert habe.«
Stanley lächelte und nickte. »Na gut – es freut mich, dass du so gewissenhaft bist.« Dann stand er sekundenlang wortlos da, obwohl unverkennbar war, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte. Typisch Wissenschaftler, dachte Kit – lange Gesprächspausen machen ihnen nichts aus; bei ihnen zählt nur Genauigkeit.
Er wartete und versuchte mühsam, seine brennende
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