Eisfieber - Roman
Gegenteil: Jemand kam die Treppe herauf.
Sekunden später hörte er, wie die Tür zu seinem Schlafzimmer aufging. Schritte durchquerten den Raum – und Miranda stand vor ihm in der Rumpelkammer. Sie trug Gummistiefel und über ihrem Nachthemd eine Barbour-Jacke und schleppte ein Laken und eine Bettdecke mit sich. Ohne ein Wort zu verlieren, ging sie zum Schlafsessel und klappte ihn auf.
Kit war fuchsteufelswild. »Was willst du denn hier, um Himmels willen?«
»Ich schlafe hier«, erwiderte Miranda mit leiser Stimme.
»Das geht nicht!«, sagte Kit, von Panik ergriffen.
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Du sollst doch draußen im Gästehaus pennen!«
»Ich habe mich mit Ned gestritten – dank deiner Enthüllungen am Abendbrottisch, du hinterlistiger kleiner Scheißer.«
»Ich will dich hier nicht haben!«
»Es interessiert mich die Bohne, was du willst oder nicht willst.«
Kit bemühte sich, ruhig zu bleiben. Die schiere Verzweiflung überkam ihn, als er sah, wie seine Schwester sich ein Bett im Schlafsessel zurechtmachte. Wie soll ich denn nur hier wegkommen, ohne dass sie was merkt, dachte er. So, wie sie sich aufgeregt hat, findet sie womöglich stundenlang keinen Schlaf. Und morgen früh wacht sie garantiert auf, bevor ich zurück bin, und fragt sich, wo ich mich rumtreibe … Kit erkannte, dass sein Alibi zusammenbrach wie ein Kartenhaus.
Er musste jetzt aufbrechen. Also gab er sich noch wütender, als er war. »Leck mich doch am Arsch!«, sagte er, nahm den Laptop vom Netz und schloss den Deckel. »Ich bleibe jedenfalls nicht hier, solange du da bist.« Er stand schon im Schlafzimmer.
»Wo willst du denn hin?«
Ohne dass Miranda es sehen konnte, schnappte er sich seine Stiefel. »Ich geh ins Wohnzimmer und hock mich vor den Fernseher.«
»Stell ihn nicht zu laut!« Sie schlug die Kammertür zu.
Kit ging.
Auf Zehenspitzen schlich er über den Flur und die Treppe hinunter. Die Holzstufen quietschten, doch da das Haus sich permanent bewegte, fielen solche Geräusche nicht weiter auf. Durch ein kleines Fenster neben dem Haupteingang drang der schwache Schein der Lampe unter dem Vordach durch und bildete Lichthöfe um den Hutständer, den Endpfosten des Treppengeländers und den Stapel Telefonbücher auf dem Telefontischchen. Nellie kam aus der Küche angelaufen, stellte sich schwanzwedelnd vor die Tür und hoffte mit unverwüstlichem hündischem Optimismus darauf, zu einem nächtlichen Spaziergang ausgeführt zu werden.
Kit setzte sich auf die Treppe und zog seine Stiefel an. Es war ein gefährlicher Augenblick, und ein Angstschauer überfiel ihn, während er mit den Schnürsenkeln hantierte. Jederzeit konnte oben eine Tür aufgehen. Es gab immer Gründe dafür, mitten in der Nacht aufzustehen – Olga konnte durstig sein und sich einen Schluck Wasser holen wollen; Caroline konnte aus der Scheune herübertappen, um sich eine Kopfschmerztablette zu holen, und bei Stanley war immer damit zu rechnen, dass ihm eine wissenschaftliche Erleuchtung kam und er an seinen Computer ging.
Kit hatte seine Stiefel zugeschnürt und zog sich seine schwarze Puffa-Jacke über. Gleich hatte er es geschafft.
Wenn ihn jetzt noch jemand sah, würde er sich nicht mehr aufhalten lassen. Mit Problemen war erst morgen zu rechnen. Wer mich gehen sieht, kann sich den Rest vielleicht zusammenreimen, dachte er und setzte seine ganze Hoffnung darauf, dass niemand begreifen würde, was eigentlich geschehen war.
Er schob Nellie von der Tür weg und öffnete sie. Das Haus war nie abgesperrt – Stanley war der Meinung, dass sich Einbrecher nie in diese abgelegene Gegend verirren würden, und außerdem gab es ohnehin keine bessere Alarmanlage als den Hund.
Draußen war es bitterkalt, und es schneite heftig. Kit stupste Nellies Nase zurück ins Haus und drückte vorsichtig die Tür zu, bis sie mit einem leisen Klicken einschnappte.
Obwohl die Lampen rund ums Haus die ganze Nacht lang brannten, war die Garage kaum zu sehen. Der Schnee auf dem Boden lag mindestens schon fünfzehn Zentimeter hoch. Innerhalb weniger Minuten waren die Aufschläge von Kits Jeans ebenso durchnässt wie seine Socken. Ich hätte Gummistiefel anziehen sollen, dachte er.
Sein Wagen stand, von ihm aus gesehen, am hinteren Ende der Garage. Das Dach war mit einem dicken Schneepolster bedeckt. Hoffentlich springt er an, dachte Kit. Er stieg ein und legte den Laptop auf den Beifahrersitz, damit er schnell eingreifen konnte, wenn im Kreml Anrufe eingingen. Dann
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