Eisfieber - Roman
Vortag auf den Bildschirm und ließ sie mit doppelter Geschwindigkeit durchlaufen. Er brauchte exakt dreißig Minuten, in denen nicht eine Menschenseele auf den Bildern zu sehen war. Als die gestrige Patrouille auf dem Bildschirm erschien, hielt er inne und fütterte das Bildmaterial von dem Moment an, da die Wache aus dem Bild ging, in den Monitor im angrenzenden Raum. Don und Stu sollten in der nächsten Stunde – oder jedenfalls so lange, bis Kit die Anlage wieder auf Normalbetrieb schaltete – nur einen leeren Korridor zu sehen bekommen. Zwar würden weder die Uhrzeit noch das Datum auf dem Kontrollmonitor stimmen, doch auch diesmal ließ Kit es darauf ankommen, dass dieser Widerspruch den Werkschutzleuten in ihrer Routine entgehen würde.
Er wandte sich an Nigel. »Gehen wir.«
Elton blieb im Geräteraum, um darauf zu achten, dass niemand sich am Laptop zu schaffen machte.
Im Kontrollraum sagte Kit zu Daisy: »Wir holen eben den Nanometer aus dem Wagen. Du kannst hier bleiben.« Es gab gar keinen Nanometer – nur, woher sollten Don und Stu das wissen?
Daisy brummte irgendetwas und wandte den Blick ab. Besonders überzeugend spielt sie ihre Rolle nicht, dachte Kit. Hoffentlich interpretieren die Wachen ihr Verhalten einfach als schlechte Laune.
Kit und Nigel begaben sich auf schnellstem Wege zum BSL - 4 . Kit hielt die Chipkarte seines Vaters vor den Scanner und drückte seinen linken Zeigefinger auf den Bildschirm. Nun mussten sie warten, bis der Zentralcomputer die Informationen vom Bildschirm mit denen auf der Karte verglichen hatte. Kit fiel auf, dass Nigel Eltons schicke burgunderrote Ledermappe bei sich trug.
Das Licht über der Tür blieb beharrlich rot. Nigel warf Kit einen besorgten Blick zu. Kit versuchte, ruhig zu bleiben: Es musste einfach klappen. Auf der Chipkarte waren die Merkmale seines eigenen Fingerabdrucks gespeichert, er selbst hatte das überprüft. Was konnte da schon schief gehen?
Da sagte eine Frauenstimme hinter ihnen: »Tut mir Leid, hier dürfen Sie nicht rein.«
Die beiden Männer drehten sich um. Hinter ihnen stand Susan. Sie gab sich freundlich, wirkte aber beunruhigt. Wieso sitzt die nicht an der Rezeption, dachte Kit in Panik. Ihr nächster Rundgang ist doch erst in einer halben Stunde fällig …
Es sei denn, Toni hatte die Zahl der Patrouillen ebenso verdoppelt wie die der Wachen.
Eine Klingel ertönte wie von einer Türglocke. Alle drei richteten den Blick auf das Licht über der Tür. Es wurde grün, und langsam schob die schwere Tür sich auf.
Susan fragte: »Wie haben Sie die aufgekriegt?«, und jetzt verriet ihre Stimme Angst.
Kit senkte unwillkürlich seinen Blick auf die gestohlene Karte in seiner Hand.
Susan folgte seinem Blick. »So eine Chipkarte dürfen Sie doch gar nicht haben!«, sagte sie ungläubig.
Nigel trat auf sie zu, doch Susan machte auf dem Absatz kehrt und lief davon.
Nigel setzte ihr nach, aber er war ungefähr doppelt so alt wie sie. Der erwischt sie nie, dachte Kit und stieß einen Wutschrei aus. Seine Träume zerplatzten wie Seifenblasen. Mit einem Schlag war das ganze Unternehmen gescheitert. Wie konnte das nur passieren?
Da tauchte Daisy am Ende des Gangs auf, der zum Kontrollraum führte.
Niemals hätte Kit geglaubt, dass er sich über den Anblick ihres hässlichen Gesichts einmal freuen würde.
Daisy wirkte nicht einmal überrascht angesichts der Szene, die sich ihr bot: eine Wache, die auf sie zurannte, und Nigel, der ihr nachsetzte, während Kit wie angewurzelt vor der Tür stand. Sie musste auf den Monitoren im Kontrollraum gesehen haben, wie Susan vom Empfangstisch aufbrach und den Weg zum BSL - 4 -Labor einschlug, hatte die Gefahr sofort erkannt und sich entschlossen, ihr zu begegnen.
Als Susan Daisy erblickte, zögerte sie einen Moment, rannte dann aber weiter, offenkundig entschlossen, sich an ihr vorbeizudrängen.
Ein angedeutetes Lächeln spielte um Daisys Lippen. Sie holte aus und ließ die behandschuhte Faust mit voller Wucht in Susans Gesicht krachen. Es gab ein Übelkeit erregendes Geräusch wie von einer Melone, die auf einen gefliesten Fußboden fällt. Susan brach zusammen, als wäre sie gegen eine Mauer gerannt, während sich Daisy mit selbstzufriedener Miene ihre Fingerknöchel rieb.
Susan stemmte sich auf die Knie. Ein Wimmern blubberte durch das Blut, das Nase und Mund verschmierte. Daisy zog aus ihrer Jackentasche einen gut zwanzig Zentimeter langen biegsamen Totschläger, der, wie Kit annahm, aus
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