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Eisglieder am Dackelrücken - 44 Berliner Szenen (& eine Zugabe) (German Edition)

Eisglieder am Dackelrücken - 44 Berliner Szenen (& eine Zugabe) (German Edition)

Titel: Eisglieder am Dackelrücken - 44 Berliner Szenen (& eine Zugabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Warner
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fühl’ mich aber so. Schleppend setzt der Bewusstseinsstrom ein: “Gyros, Retsina, Ouzo. Nacheinander. Nebeneinander. Oh je. Mein Gesicht ist schnoddergrün.” Hinterm Spiegel klopft und gluckert es im Versorgungsschacht, thalatta, thalatta. Oder gluckert es in meinem Kopf? Mighty mother! Tja, Decke, Wände, Fußboden, die Nasszelle ist komplett aus Asbest: “In a greek watercloset he breathed his last: euthanasia …” Asbestos, unauslöschlich. Basta! Rasieren fällt heute aus. Sonntagsruhe. Tasse Kaffee. Radio einschalten: “My twelfth rib is gone, he cried. I’m the Übermensch. Toothless Kinch and I, the supermen.”
    Ach so, hätt’ ich fast vergessen: Heute ist Bloomsday. Haaatschi! Was ich jetzt brauche, ist nicht der Ulysses, sondern die Pollenflugvorhersage. Lieber noch paar Filmtabletten einwerfen. Dann auf dem Fahrrad durch den Mauerpark, Glasscherben ausweichen. Mir ist schlecht. Shut your eyes and see. Tooor! Tooor!, brüllt es aus einem Fenster am Arkonaplatz. Spanien – Irland läuft schon, verdammte Zeitverschiebung. Da ist ja endlich die Invalidenstraße. Vor der Friedhofspforte grüßt mich ein Mann im schwarzem Regenmantel – na egal, keine Zeit für Inferioritäten. Am Zaun des Elisabethkirchhofs verkünden Plakate: “Berlin-Bloom’s-Day 2002″. Cruck – erhalte meinen Gang – crack – auf deinen Wegen – crick – dass meine Tritte nicht gleiten – crick.
    Unangenehm knirschender Kiesweg. Dann angenehme Dunkelheit im Foyer der Villa Elisabeth. An der Bar ist Happy Hour von elf Uhr elf bis open end. Schätze, der Tag ist damit gerettet. Die Joyce-Lesungen sind ja eh nicht auf Deutsch: “O, won’t we have a merry time, drinking whisky, beer and wine!”

Lebenserwartungen
    Ich liebe die stillen Adventsabende in unserem Innenhof. Nur ab und zu dringt das Grölen der Prolos vom Arnimplatz über die Dächer des Milieuschutzgebietes. Die Russen im Erdgeschossatelier hören wieder ihre Wyssozki-Platten. Es sind größtenteils Bildhauer. Sie singen nie, sie reden überhaupt nur wenig. Alles, was man hört, sind sporadische Trinksprüche und das Klingen der Wodkagläser.
    Melancholisch blicke ich auf die bröckelnde Fassade. Der Kastanienbaum im Hof sieht auch nicht gut aus. Allgemein gilt ja, dass die Menschen immer länger leben. In einer Werbebroschüre für aktienfinanzierte Rentenmodelle las ich: “Freuen Sie sich über die steigende Lebenserwartung. Sie brauchen keine Angst zu haben, irgendwann einmal vor einem leeren Konto zu stehen.” Falls man vorher stirbt, bekommt man die eingezahlten Beträge vollständig zurück. Das ist fair, denke ich.
    Heute sprach ich im Hausflur mit Pawel, einem der Bildhauer aus dem Erdgeschoss. Er sieht aus wie Mitte fünfzig, ist aber nach eigener Aussage erst Anfang zwanzig. Pawel kommt aus Wolgograd, und er hat Humor. “In Russland gibt es ein Sprichwort”, sagte er, “wenn du älter als vierzig bist, und du hast keine Schmerzen, dann bist du tot.”

Vergiss das ganze Plüsch
    „Ist nicht gerade die Muppet Weihnachtsgeschichte, vergiss das ganze Plüsch, selbst der räudige Tennisball, aus dem man ein Froschgesicht gemacht hat, war ja immerhin vorher mal ein Tennisball“, schnaubte C. verächtlich, und trat eine zerbeulte Red Bull-Dose vom Gehsteig. Besonders einladend sah es hier in diesen Tagen wirklich nicht aus, die japanischen Kirschbäume konnte man ohne Blätter glatt für Gestrüpp halten. „Aldi-Straße“ nennen die Leute den kurzen Streifen zwischen dem Park und der Fußgängerbrücke am Bahngelände. Stimmt ja auch, auf der Brachfläche am Ende der Sackgasse steht seit den Neunziger Jahren ein rotgeklinkerter Aldi-Markt.
    „Erst haben sich alle aufgeregt und ne Bürgerinitiative gegründet, Schilder an die Balkone ihrer Lofts gehängt, jetzt stehen sie dort selbst in der Schlange“, wetterte C. wie üblich. Ich entgegnete wie üblich: „Sieh’s mal dialektisch, Gentrifizierer müssen ja auch irgendwie die Miete zahlen.“ Und C. schoss noch seine Lieblingspointe hinterher: „Ach was, nur weil jemand sagen kann ‘in aedibus aldi’ statt ‘beim Aldi’ ist er noch lange kein Philosoph.“
    Auf dem leeren Parkplatz übten tatsächlich noch ein paar Skateboarder, der Kletterfelsen des Alpenvereins dagegen war schon verwaist, schnaufende Jogger und Rassehunde an langen Leinen stießen weiße Wölkchen aus. Links neben dem Eingang warteten sauber in Zweierreihe angeordnet die vergitterten Einkaufswagen. Jetzt erst fiel

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