Eisige Naehe
»Wieso tun Sie's nicht?«
»Herr Henning, ich bin ein reiner Schreibtischtäter.« »Nein, nein, vergessen Sie's, wir lassen uns nicht vor Ihren Karren spannen und setzen dabei unser Leben aufs Spiel. Das mit Friedmann und Müller hat doch in der Vergangenheit wunderbar funktioniert, warum sollte man das System ändern?«
»Sie sind ein Zyniker vor dem Herrn, das imponiert mir. Die beiden haben Weidrich umgebracht, sie haben die Soko unterwandert und ... Nun, Sie haben Weidrich kennengelernt und wissen, dass er niemals Bruhns' Mörder gewesen sein kann. Auch ich weiß das. Denken Sie an meine Worte: Sie werden noch öfter mit Friedmann und Müller zu tun haben, denn die beiden haben Sie auf dem Kieker.«
»Wieso?«, fragte Henning mit zusammengekniffenen Augen.
»Weil eine Order so lautet. Sie werden beobachtet, denn man traut Ihnen nicht. Es heißt, Sie könnten gewisse Operationen gefährden.« »Wer sagt das?«
»Unwichtig. Zeigen Sie diesen Typen, dass Sie stärker und vor allem cleverer sind. Nun muss ich aber los. Lassen Sie uns vorher noch die Gläser abwaschen und in den Schrank stellen, um das Polizeisiegel kümmere ich mich.«
»Ich übernehme die Gläser«, sagte Santos und ging in die Küche.
Henning sagte: »Beantworten Sie mir bitte nur noch eine Frage: Wieso ausgerechnet Kinder?« »Darauf gibt es mehrere Antworten. Zum einen haben die werten Herren alles, was das Herz begehrt, und sind nun auf der Suche nach der Erfüllung ihrer geheimsten Wünsche, und das sind häufig Kinder. Zum Zweiten wollen sie unter allen Umständen ihren Trieb ausleben, sie haben verlernt, sich zurückzunehmen und zu mäßigen und die Menschenwürde zu achten. Und manche sind einfach nur verkommen. Das betrifft vor allem jene, die sich an Kindern vergehen. Kennen Sie den Fall des Kinderbordells Yvonne in Dresden? Politiker und andere honorige Bürger gingen dort ein und aus. Irgendwann flog die Sache durch einen dummen Zufall auf, aber bis heute gab es keinen Prozess, denn es wurde dafür gesorgt, dass wichtiges Beweismaterial vernichtet wurde. Die Eltern der Kinder wurden entweder mit Geld abgefunden oder, wenn sie nicht darauf eingingen, massiv eingeschüchtert. Einen ähnlichen Fall hatten wir vor einem Jahr auch hier in Kiel ...« »Davon weiß ich nichts.«
»Können Sie auch nicht, es wurde sofort der Deckel draufgemacht, und zwar von einem gewissen Staatsanwalt Rüter ...« »Rüter? Warum?«
»Warum wohl? Wie der Vater, so der Sohn. Nur dass der Sohn noch ein wenig ehrgeiziger ist, während der Vater in Berlin die Fäden zieht. Rüter ist enorm wichtig für die Organisation, für ihn ist sie so etwas wie eine zweite Familie. Er würde nie etwas tun, was der Firma schaden könnte. Im Gegenzug springt für ihn eine Menge dabei raus. Dresden und Kiel sind beileibe keine Einzelfälle, in ganz Deutschland gibt es diese Bordelle.« »Erzählen Sie mir mehr über Rüter«, forderte Henning Albertz auf.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sein Vater war Generalstaatsanwalt, bis er beschloss, sich stärker politisch zu engagieren. Er hat seinen Sohnemann gleich in die richtige Position gebracht... Die beiden arbeiten hervorragend zusammen. Ein echtes Dreamteam.« »Ich habe Sie das vorhin schon einmal gefragt und frage es jetzt noch einmal: Von wem haben Friedmann und Müller die Anweisung erhalten, Weidrich umzulegen? Nein, lassen Sie mich raten - es war Rüter. Stimmt's?«
»Möglich. Ich weiß es aber nicht, und das ist die Wahrheit. Ich traue Rüter jede Schweinerei zu. Die Anweisung kann auch aus unserem Haus gekommen sein. Ich müsste mich schlaumachen.« »Rüter ist auch für Sie tätig?«
»Legen Sie Ihren Tunnelblick ab, Herr Henning. Es gibt nicht diese Organisation und jene Organisation und diese Person und jene Person, es geht um Vernetzung. Natürlich ist Rüter auch für uns tätig, doch er trifft eigene Entscheidungen, die allerdings meist mit uns abgesprochen werden. Und um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen, Rüter gehört zum inneren Kreis, genau wie sein Daddy. Damit dürfte alles klar sein.«
Santos kehrte mit den gespülten Gläsern zurück und stellte sie in den Schrank. »Gehen wir?«
»Gleich«, entgegnete Henning. »Das würde bedeuten, dass Rüter sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch beim LKA und bei uns Leute sitzen hat, die ihm bedingungslos gehorchen, wie zum Beispiel Friedmann und Müller.«
»Korrekt, aber ich kann Ihnen jetzt aus dem Stegreif keine Namen nennen. Tut mir
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