Eisige Naehe
kurz mit meinem Kollegen unter vier Augen sprechen?«, sagte Santos.
»Selbstverständlich.« Albertz verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Santos legte Henning eine Hand auf die Schulter und sagte mit leiser Stimme: »Sören, hör auf, dich wie ein bockiges Kind zu benehmen. Albertz ist dabei, uns etwas zu erklären, worüber wir uns bisher nie Gedanken zu machen brauchten ...«
»Halt den Mund, halt einfach nur den Mund«, sagte Henning und entfernte sich ein paar Schritte von ihr. »Ich bin kein bockiges Kind, ich bin ein erwachsener Mann mit einem gereiften Verstand. Genau deshalb begreife ich nicht, wie man von einem Auftragskiller sprechen kann, als wäre er eine Art Heiliger! Und du widersprichst nicht mal, oder habe ich da was missverstanden? Da muss irgendwas an mir vorbeigegangen sein, dabei dachte ich, ich hätte schon in alle Abgründe geschaut.« Lisa antwortete ruhig: »Stell die Frage nicht mir, sondern Albertz. Ich bin sicher, er wird dir auf jede deiner Fragen eine Antwort geben, wenn du ihn lässt und wenn du deine Aggressionen unter Kontrolle hältst. Setz dich zu mir, hör einfach nur zu, stell gezielte Fragen, aber ohne diesen Henningschen Sarkasmus. Vielleicht begreifst du dann, dass es noch viel mehr Dinge in unserem Umfeld gibt, als wir bisher zu glauben gewagt haben. Gib Albertz diese Chance, sonst wird er uns mit einer Unzahl unbeantworteter Fragen zurücklassen, und das wäre für mich noch frustrierender als das, was ich bisher gehört habe. Bitte, halt dich ein bisschen zurück. Tu's mir zuliebe. Bitte.«
Henning zog die Stirn in Falten und meinte nach einer Weile des Überlegens: »Meinetwegen. Aber wirklich nur dir zuliebe.«
»Willst du denn gar nicht wissen, was hinter den Kulissen abläuft? Wer die Fäden in der Hand hält? Warum Auftragskiller engagiert werden, die so clever arbeiten, dass viele Morde wie Unfälle oder natürliche Tode aussehen? Ich habe das Gefühl, als beträten wir gerade eine völlig neue Welt, und ich will erfahren, wie ich darin überleben kann. Wir wissen jetzt schon mehr als die meisten unserer Kollegen, und das haben wir Albertz zu verdanken.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Na ja, ich hoffe jedenfalls, dass es ein Vorteil ist und wir nicht wieder gelinkt werden. Nein, Albertz legt uns nicht rein, sonst hätte er sich nicht mit uns getroffen.«
»Ja, ja, ja, schon gut, Lisa. Hören wir uns an, was er noch zu sagen hat. Danach werde ich mir mein Urteil bilden.«
Santos ging zur Tür und sah Albertz rauchend im Flur stehen.
»Können wir fortfahren?«, fragte er lächelnd und steckte seine Zigarette in den mit Sand gefüllten Standaschenbecher. »Bitte.«
»Keine Fragen?«
»Nein, aber wir hätten gerne ein paar Informationen über den äußeren Kreis.«
»Im äußeren Kreis bewegen sich die sogenannten Sklaven, die Befehlsempfänger, so wie Friedmann und Müller. Sie bilden den Schutzwall für den inneren Kreis. Dort finden Sie Leute, die über eine unvorstellbare Macht verfügen. Macht, Einfluss, Geld - eine unheilvolle Symbiose. Es handelt sich zum größten Teil um Personen, die fast nie oder nur selten in den Medien erwähnt werden. Wenn über sie berichtet wird, dann nur Positives, sie treten als Wohltäter auf, als Schirmherren oder Mäzene. Natürlich zählen auch Politiker und Topmanager dazu, aber sie sind in der Minderheit, die meisten von ihnen gehören zum äußeren Kreis. Ich weiß, das klingt wieder wie eine Verschwörungstheorie, ist aber leider die Wahrheit ...«
»Und Ihre Organisation?«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Albertz leicht ungehalten.
»Wo stehen Sie? Innen oder außen?«
»Sowohl als auch.«
»Und Sie ganz persönlich?«
Albertz nickte und sah Henning durchdringend an. »Was denken Sie?« »Gar nichts.«
»Gut, dann belassen wir's dabei ...«
»Ich denke, Sie gehören zum inneren Kreis«, warf Santos ein.
»Oh, das heißt, Sie trauen mir zu, zu den Entscheidern zu gehören. Das ehrt mich.«
»Damit haben Sie meine Frage nicht beantwortet«, sagte Santos lächelnd.
»Stimmt. Aber ganz ehrlich, ist es nicht unwichtig, ob ich zum äußeren oder inneren Kreis gehöre?«
»Nein, denn wenn ich Sie recht verstanden habe, sind die im äußeren Kreis reine Befehlsempfänger und ... Sklaven.
Sie erscheinen mir aber nicht wie ein Sklave, dazu haben Sie zu viel Insiderwissen. Sie gehören zum inneren Kreis, dort, wo die großen Entscheidungen getroffen werden.
Und ...«
»Frau
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